Heft 
(1899) 8
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Pestzeiten in Berlin und der Mark Brandenburg.

etliche Tausend darin aufgegangen. 1588 grassierte abermals zu Berlin die Pest sehr heftig. Im Jahre 1610, um Martini nahm sie in Cölu in eines Brauers Baltzer Schultzens Hause den Anfang; der Eingang von der Strasse zu ihm wurde verboten. Weil aber die Nachbarn dennoch hinten zu besagter Brauerei hineingestiegen, so haben sie sich in der ganzen Stadt infiziert, dass damals 1200 in Cöln und 800 in Berlin gestorben. Ein ehrbarer Rat hatte zwar auf dem Mühlendamm ein Vorwerk erbaut, um die Passage nach Cöln zu verhindern, allein es half wenig; und als der Cölnische Rat auch 2 Gegenthore dahin bauen lassen, haben die Bürger zu Berlin selbige weggeschlagen, worüber bald Mord und Todschlag entstanden wäre.

Samuel Buchholz in seiner 1765 erschienenenGeschichte der Kur­mark Brandenburg giebt an, dass während des 30jährigen Krieges im Jahre 1636 die Pest ganz unbeschreiblich die Mark mitgenommen habe.

In Stendal, in der ganzen Altmark wütete eine grausame Pest, die an einigen Orten manchen Tag 3040 Menschen hinwegriss.

Der nordische Krieg von 1709 zwischen Karl XII und Peter dem Grossen hatte in Polen unter den feindlichen Heeren die Pest erzeugt und ward von diesen, die die preussischen Landschaften nicht schonten, auch hierher gebracht, so dass sie zu Elbing, Königsberg und auf dein platten Lande gewaltig aufräumte und in Preussiscli-Littauen fast alles verwüstete. 1710 hörte das Uebel von selbst auf.

Der grosse Kurfürst hatte 1685 ein Collegium medicum eingerichtet und Kurfürst Friedrich III. gab 1694 eine Medizinal-Ordnung heraus. Als daher 1708 die Pest in Polen anfing sonderlich unter den Juden aufzuräumen, die man deswegen daselbst verjagte, ward sogleich Anstalt gemacht, dass sie (die Pest) nicht über unsere Grenzen eindriugen möchte, und daher verboten, keine fremden Juden, Bettler oder Zigeuner über dieselben zu lassen. %

Von ältern Schriftstellern giebt Dr. Moehsen, damals Kreisphysikus im Teltowschen Kreise, in seinerGeschichte der Arzneiwissenschaft in der Mark Brandenburg, welche 1781 erschienen, ganz ausführliche Nachrichten und wenn auch mit den heutigen wissenschaftlichen Ergeb­nissen der neuesten Forschungen nicht alles übereiustimmt, so sind sie immerhin sehr beachtenswert. Er sagt:

Die Pestseuchen sind gemeiulich Folgen einer vorhergegangenen Hungersnot, so durch verwüstende Kriege oder auch Misswachs ent­steht. Die Obrigkeiten sorgten ehemals nicht durch Anlegung von Korn-Magazinen für den Unterhalt und das nötige Brot und Saatkorn der Untertanen in teuren Zeiten. Die Polizei war unbekannt. Wenn Seuchen in der Nachbarschaft wüteten, so wusste mau nicht Anstalt zu treffen, um deren Ausbreitung abzuhalten. Die Menschen wohnten mit dem Vieh zusammen in engen und niedrigen Stuben. Die Reinlichkeit