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Pestzeiten in Berlin und der Mark Brandenburg.
von der Mark Schutzgeld geben musste. In Brandenburg und Prenzlau hatten sie schon vor 1319 das Bürgerrecht erworben und durften daselbst eigene Häuser kaufen und bauen. Unter der Regierung des ersten bairischen Markgrafen mehrte sich deren Zahl so dass sie in den Städten ganze Strassen anbauten. Bei Salzwedel hatten sie eine ganze Vorstadt inne gehabt, so „das Judendorf“ oder „der Perver“ genannt wurde. Sie waren gegen Zahlung eines jährlichen Zinses von 12 Mark Brandenburgischen Silbers von allem Schoss, Wachen und geistlichen Abgaben und allen bürgerlichen Pflichten gänzlich frei. Der Markgraf Ludwig der Ältere nennt sie in einem Freiheitsbriefe von 1341 seine „lieben Kammerknechte“ und giebt ihnen den Titel „weise bescheidene Leute“, einen Titel, der sonst nur in den Urkunden dieser Zeit den Magistraten gegeben wurde.
Das Vorurteil, dass die Pest blos durch böse Menschen angestiftet wurde, hatte sich nun immer weiter ausgebreitet. Tn den T/ändern in Deutschland, wo keine Juden waren, als in Sachsen zu Leipzig, Plauen, Weyde, Wolkenstein, wie auch im Erzstift Magdeburg und in verschiedenen Städten in Schlesien, wurden die Totengräber der ärgsten Bosheiten beschuldigt, weil man vorgab, dass sie ihres Gewinnstes wegen Giftpulver und dergleichen ausgestreuet hätten. Man konnte sich nicht überreden, dass die Pest nur aus natürlichen Ursachen und aus eigener Vernachlässigung entstehen sollte. Die Verfolgung der Totengräber bemerkt man sogar noch im 16. und 17. Jahrhundert, wo man mehr Nachdenken und Einsichten den Obrigkeiten hätte zumuten sollen. So einfältig auch diese Beschuldigungen waren, weil die Totengräber gemeiniglich mit von den ersten waren, welche von der Pest angesteckt wurden, so wurden diese Leute dennoch aus allen Kirchspielen zusammengetrieben, auf der Tortur zum Geständnis gebracht und nach Urteil und Recht öffentlich verbrannt. Bei einer solchen Begegnung fand sich niemand, der die an der Pest Verstorbenen begrub, und es wurde durch der unbegraben gebliebenen Leichname Fäulnis und Gestank das Unglück noch mehr vermehret und die Pest weiter ausgebreitet.
Es würde bei diesen Umständen die Frage sein: ob die Unvernunft und die Blindheit der Geistlichkeit und der an die Worte der Gesetze festgenagelte Verstand der sich weise dünkenden Reclitsgelehrten dieser Zeit nicht eine grössere Strafe Gottes als die Pest selbst war.
Klagen solcher Art, finden sich in fast allen Schriften über die Geschichte der Medizin, welche im 17. und 18. Jahrhundert herausgekommen sind, und wir können nicht umhin, sie als begründet anzunehmen, zumal wenn wir den damaligen Stand der medizinischen Wissenschaft mit der Fülle ernster Ai’beit vergleichen, die im gegenwärtigen Jahrhundert, und besonders in den letzten 50 Jahren auf Wissenschaft-