Pestzeiten in Berlin und der Mark Brandenburg.
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liehe Erforschung der Krankheitsursachen und deren Bekämpfung aufgewendet wird. Als Curiosum möchte ich noch eine kleine Erzählung vortragen, von Wilhelm Kaabe, die der bekannte Schriftsteller, in seinem 1869 erschienenen Roman: „DerSchüdderump“ in der Einleitung giebt.
Er, der Verfasser kommt in eine kleine Stadt am Nordharz und langweilt sich während der vierstündigen Pause des Pferdewechsels ganz entsetzlich. Der Wirt des Gasthofes, wo er abgestiegen, schüttelt auf seine Frage: ob es gar nichts Merkwürdiges in dem Städtchen zu sehen gäbe, traurig mit dem Kopf. Da sagt ein kleiner, schwarz gekleideter Mann, der in der Nähe sitzt und zugehört bat, leise und schwermütig zu ihm:
Wir haben auch noch einen Schüdderump. Ein Schüdderump? Was ist ein Schüdderump? sagt der Erzähler, von dem Worte angezogen.
„Gehe der Herr nur mit mir; ich bin der Totengräber“, erwidert der kleine Schwarze, und führt ihn auf den Kirchhof, wo neben der Amtswohnung des Totengräbers ein uraltes steinernes Gewölbe steht, abgesperrt durch eine rostige, schwarze, eiserne Gitterthür. Diese Thür schliesst der Schwarze auf, deutet in den dunkeln Raum, und spricht unheimlich hohl: „Da steht er!“ und mit ebenso unheimlichem Beilagen fügt er hinzu: „und jedermann muss sagen, dass es eine grosse Merkwürdigkeit ist und für jedes Mausoleum eine grosse Ehre wäre.“
Da stand er wirklich, ein hoher schwarzer Kasten, auf zwei Rädern mit einem halb erloschenen weissen Kreuz auf der Vorderwand und der Jahreszahl 1615 auf der Rückwand.
Mein Begleiter legte zärtlich die Hand darauf und sprach:
„Trete der Herr nur näher! Man sagt, es sei der einzige in der ganzen Welt. Anno 1665 ist er zum letzten Male gebraucht worden- Sieht der Herr, so!“
Und der Bursche zog den Kasten herum, schlug einen Riegel weg, und die abscheuliche Maschine that einen Ruck, und kippte über und schüttete eine imaginäre Last von Pestleichen in eine ebenfalls imaginäre Grube.
Zum Schluss dieses Vortrages möchte ich aber, zur Beruhigung ängstlicher Gemüter, noch anführen, dass ich und wie ich wohl annehmen kann, alle meine ärztlichen Berliner Kollegen, besonders die seit den siebenziger Jahren dieses Jahrhunderts ausgebildeten, unter dem Eindruck der Seuchenfreiheit von Berlin stehen, so dass man fast zu der Ansicht verführt werden könnte, dieser Zustand habe immer geherrscht. So sehr haben die höchst umfangreichen und kostspieligen Assanierungsarbeiten unserer Kommune gewirkt; vorzugsweise die Kanalisation, welche alle Senkgruben auf den Höfen überflüssig machte, die Wasserleitung, die Beseitigung sämtlicher Rinnsteine, die Asphaltierung und strengste Durchführung der Strassenreinigung u. s. w. Der früher endemische Abdominaltyphus ist fast verschwunden, auch die exanthe-