Otto Pniower, Die erste Berliner Zeitschrift in deutscher Sprache.
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um die Wende des 18. Jahrhunderts der Franzose Bayle, der Verfasser des berühmten Gelehrtenlexikons, der, als Oelvens Zeitschrift zu erscheinen begann, nicht mehr unter den Lebenden war. Er war am 28. Dezember 1700 gestorben. Oelven griff ihn noch zu seinen Lebzeiten im Jahre 1705 in der schon erwähnten Streitschrift an, in der er ihm die in seinen Augen ungeheuerliche Behauptung vorrückt, dass Germaine de Foix, die verwitwete Gemahlin des spanischen Königs Ferdinand, unstandesgemäss heiratete, als sie einem brandenburgischen Markgraf Johann die Iland reichte. Er verfährt dabei mit einer in der an Ausschreitungen gewiss nicht armen Geschichte der wissenschaftlichen Polemiken ungewöhnlichen Zügellosigkeit. „Es darf Bayle nicht befremden, sagt er, wenn redliche Seelen ihn als einen Unseligen betrachten, welcher gleichsam von der christlichen Gesellschaft ausgeschlossen ist und niemals anders handelt, als nach den Willen seines Götzen, des Urhebers des Bösen.“ (Oelrichs a. a. O. S. 297). Er wirft ihm vor, dass er die christlichen Wahrheiten durch Einführung der Lehren des Teufels auszurotten bemüht sei. Auch Bayles Anhänger La Croze fasst Oelven in der Polemik nicht gerade mit Handschuhen an. Er ruft ihn an (Prae- sente S. 71): „Es ist wahr, mein gelehrter, aber nur Philosophischer oder Grammatikalischer Kaldaunenschlucker“ und ermahnt ihn, „die Gut- thaten der Teutschen, die ihn aus dem Staub errettet und ein reichliches Stück Brod zugeworffen haben, zu erkennen.“ An anderen Stellen (Praesente S. 84. 35) nennt er Bayle einen „libertin, scepticus und gar Atheist“, seine Anhänger, „Ertzspötter, Giftmischer u. ä.“
Oelven trieben zu diesen leidenschaftlichen Ausbrüchen gewiss zunächst persönliche, ja unlautere Motive. Denn sein Character war nicht eben makellos. Züge von Unehrlichkeit und unreiner Eitelkeit weist Giesebrecht in seiner erwähnten Abhandlung nach (a. a. 0. S. 450 und 464). Auch hielt er seine literarische Beschäftigung nicht frei von egoistischen, geschäftlichen Zwecken. Viele seiner Schriften verfolgen das Ziel, ihm die Gönnerschaft einflussreicher Personen und klingende Belohnung zu verschaffen. Man muss diesen Zug freilich historisch verstehen und nicht nach den heutigen Begriffen literarischer Ehre beurteilen. War doch die Poesie damals überwiegend Gelegenheitsdichtung im schlechtesten Sinne des Wortes und zur Vermittlerin schnöden Gelderwerbs herabgesunken. Es war die Blütezeit der schmeichelnden Hofpoesie. Es mögen bei Oelven also bei seiner Bekämpfung der Aufklärer persönliche Motive mitgewirkt haben, gleichzeitig aber stand er in einem schroffen, innern Gegensatz zu den Vorkämpfern jener skeptischen Richtung in der wissenschaftlichen Forschung. Er war religiös, tief gläubig und von einem verschwommenen Mysticismus erfüllt. Die Überlieferung der Bibel war ihm ein unantastbares Heiligtum. Er schwärmte fürs Mittelalter, für die Herrschaft des alten deutschen