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Otto Pniower, Die erste Berliner Zeitschrift in deutscher Sprache.
Kaisertums. Das dreizehnte Jahrhundert erschien ihm als die Epoche glänzendster Bildung. Alles fremde, besonders das französische Wesen war ihm verhasst. Gegen die geistige Herrschaft, die damals die französischen Reformierten in Berlin übten, lehnte er sicli auf. Ein Mann von dieser Gesinnung musste den Vertretern der französischen Aufklärung, die nur das für wahr hielten, was ihr Verstand begriff, gram sein. Seine bigotte Gläubigkeit musste in allen Deisten oder Atheisten Handlanger des Teufels erblicken.
Oelven nahm ein trauriges Ende. Nicht lange nachdem das Verbot gegen seine Zeitschrift ergangen war, verfiel er in Wahnsinn. Er starb in grösster Dürftigkeit, etwa um 1725.
Dieser Mann also gab die erste Berliner Zeitschrift heraus. Er gab sie übrigens nicht bloss heraus in dein Sinne, wie heute ein Redakteur eine Zeitschrift aus den ihm meist in grösserer Masse als ihm lieb ist, zuströmenden Beiträgen der verschiedensten Mitarbeiter zusammenstellt, sondern er schrieb sie ganz und gar selbst. Seine ausgesprochene Bitte an die Leser, ihn mit Material zu versehen (Praesente S. 58 f.) verhallte ungehört. Daraus ergab sich schon eine selbst für die übermässig geduldigen Leser, als die wir uns die Menschen des siebzehnten und beginnenden achtzehnten Jahrhunderts zu denken haben, todbringende Eigenschaft der Zeitschrift: Mangel an Mannigfaltigkeit, deutlicher gesagt: Langeweile. Sie herrscht in ihren Blättern mit bleierner Kraft und Sie dürfen es glauben, dass es selbst für einen Philologen, der ja alles lesen können muss, nicht leicht war, sich durch diesen Band hindurchzuwürgen.
Wenn ich Ihnen nun eine deutlichere Vorstellung von dem littera- rischen Unternehmen geben soll, muss ich Sie bitten, bei der Würdigung auch hier den modernen Begriff einer Monatsschrift bei Seite zu lassen. Die Wandlung, die die Welt seit fast zwei Jahrhunderten durchgemacht hat, die Umwälzung, die das öffentliche Leben in Deutschland und namentlich in Berlin erfahren hat, wird einem besonders lebendig, wenn man diesen Erstling unseres Zeitungswesens mit einer heutigen Monatsschrift wie etwa der „Deutschen Rundschau“ vergleicht. Was heute einer Zeitschrift und wenn es die vornehmste ist, nicht fehlen darf, dasjenige Moment, das freilich am meisten zur Verflachung der Zeitungs- litteratur geführt hat, das Actuelle, nimmt in den „Praesenten“ nur einen ganz bescheidenen Raum ein. Es muss schon ein Ereignis, wie die dritte Vermählung seines Königs mit Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin sein, um Oelven zu veranlassen, eines momentanen Geschehnisses zu gedenken. Und auch dies thut er gewiss hauptsächlich um des Lohnes willen, den er für seine dithyrambische Verherrlichung erwartete und hoffentlich auch erhielt. Die Politik, die heute auch einer belletristischen Zeitschrift nicht mangelt, ist gänzlich ausgeschlossen.