Heft 
(1899) 8
Seite
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Otto Pniower, Die erste Berliner Zeitschrift in deutscher Sprache.

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Ebenso findet die Kunst in ihr keine Stätte trotz dem Titel der Zeit­schrift, der ihre Berücksichtigung so gut wie die der Politik verspricht. Es ist, wie wenn dieses wichtigste Element der höheren menschlichen Existenz in der Hauptstadt des jüngsten Königreiches nocli nicht Wurzel gefasst hätte. Wir wissen jedoch, dass es so um das damalige Berlin nicht stand, dass in der Stadt, in der ein Schlüter seine Meisterwerke schuf, auch der künstlerische Sinn sein Heim aufzuschlagen begann. Wenn die Praesenten nichts davon spüren lassen, so lehrt das nur, dass man sich hüten muss, die Schöpfung des armen, um das tägliche Brot kämpfenden Litteraten für ein irgend umfassendes Spiegelbild des damaligen Berliner Lebens zu halten. Nur seinem beschränkten Sinn leuchtete nicht der Genius der Kunst. Man müsste sonst annehmen, dass auch Handel und Industrie damals vor den Mauern der Residenz Halt gemacht hätten. Denn auch davon weiss die Zeitschrift nichts zu berichten.

Was enthält sie denn also?

Die Zeit, in der Oelven schrieb, war die der Raritätenkabinette. Damals legten die Fürsten, die vornehmen oder reichen Herren, jene Curiositätensammlungen an, aus denen die späteren Museen hervorgingen. Auch unsere Berliner Museen sind zum Teil aus der kurfürstlichen, später königlichen Kunstkammer hervorgegangen. Ein solches Raritätenkabinet ist denn auch unsere Zeitschrift. Bezeichnend dafür ist schon ihr Titel Curieuse Natur- Kunst- Staats- Sitten-Praesente. Und nicht bloss auf dem Titel erscheint das Wort. Auch in der Zeitung selbst begegnen wir ihm wiederholt. Wie heute der Schriftsteller, einer überlebten Mode folgend, seinen Leser als freundlichen Leser anspricht, so gebraucht Oelven als captatio benevolentiae die Anredecurieuser Leser. 4 S. 105 f führt er ganz im Sinne der Curiositätenkabinette ein Naturspiel oder wie er es nennt, ein Spielwerk der Natur vor: eine in der königlichen Orangerie in Oranienburg gewachsene, durch eigentümliche Warzen­bildungen entstellte Pomeranze vor. Vielfach preist er ganz im Ge­schmack der Zeit selbst bereitete Allheilmittel an. Ausführlich ergeht er sich über die alte Panacee, das aurum potabile, vor dem er jedoch einein selbst erfundenen Mittel, dem hölzernen Trinkgold, den Vorzug giebt. Genau beschreibt er seine Zubereitung, nennt seine Bestandteile und preist es als ein nie versagendes Medikament gegen alle möglichen Krankheiten. Ein andermal Mal (S. 76 f.) empfiehlt er als ein unfehlbares Remedium gegen das Aufbrechen von Wunden einenfeinen zu dünnem Blech geschlagenen Dukaten.Es zieht alle böse Materie aus dem / ganzen Körper des Menschen, wenn auch schon die Gebeine Carios wären und heilet vom Grunde aus ohne einzige andere Zuthat. Fast ein ganzes Heft, das erste des zweiten Jahrgangs, widmet er einerMagen­bürste, von der er ein Abbild giebt, deren Herstellung und Anwendung er bis ins Kleinste und Unappetitlichste auseinandersetzt.