Heft 
(1899) 8
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Otto Pniower, Die erste Berliner Zeitschrift in deutscher Sprache.

verschiedensten Dinge in unmerklichen Übergängen zu plaudern, vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen.

Ich würde einen wichtigen Bestandteil der Zeitung übergehen, wenn ich nicht zum Schlüsse eines Auswuchses der Litteratur gedächte, der an Oelven einen besonderen Pfleger fand: des Anagramms. Was damit gemeint ist, sollen Sie an einem kurzen Beispiel, das ich der Zeitschrift entnehme, sehen. Im elften Stück der Monatsschrift (S. 221 f.) giebt Oelven ein Anagramm auf Berlin zum besten, d. h. er stellt die den lateinischen Namen unserer StadtBerolinum bildenden Buchstaben zu neuen Worten zusammen. Die beiden Worte, die sich ihm ergeben, lauten orbi lumenein Licht dem Erdkreis und so erblickt er darin eine "Vorbedeutung der künftigen Grösse Berlins. Ein ander Mal bringt er durch Umstellung der Buchstaben des Namens des im Jahre 1707 geborenen Sohnes des Kronprinzen Friedericus Ludovicus princeps Arausionensis etc. das Anagramm zu Stande: Fili, Caesar eris dux

purpnreusque Sionis Vincendo d. h.Sohn, du wirst einst Kaiser sein und durch Sieg ein Herrscher Zions im Purpur. Die Weissagung traf freilich nicht ein. Der Prinz starb schon ein Jahr nach der Geburt. In dem zwölften Stück, das, wie erwähnt, der Vermählung des Königs mit Sophie Luise gewidmet ist, werden auf die Namen des Bräutigams und der Braut nicht weniger als sieben Anagramme vorgetragen. Diese Art der Weissagekunst war Oelven, wie er wenigstens wiederholt ver­sichert, eine ernste heilige Sache. Sein Zorn gegen La Croze entflammte, als dieser von ihm sagte, dass er nur ein Anagramm zu Stande bringen könne. In einer solchen glücklich gefundenen Kombination er nennt sie rencontremuss man, sagt er (S. 64), dem Autori etwas, aber alles alles vornehmlich der Göttlichen Providentz zuschreiben. Von dem oben angeführten Anagramm aus dem Namen des Prinzen von Oranien, Sohnes des Kronprinzen, sagt er (S. 74):Der Geist dieser

nachdencklich versetzten Buchstaben im Nahmen des neugebohrnen Printzen ist nicht durch Speculation des Anagrammatisten entsprungen, sondern die Hand des Höchsten hat dieselbe rangiret. Denn, wie er an einer andern Stelle bemerkt,Gott der alles pondere, mensura et numero gemacht und unsere Haare gezehlet hat, solte der nicht auch die Buchstaben unserer Nahmen abgewogen, und darin seine Verborgenheiten geleget haben? (S. 65).

Von einem solchen Aberglauben war derjenige erfüllt, der die erste deutsche Monatsschrift in Berlin herausgab! Diese Freude an rätselhaft­spielerischen Weissagungen, an mystisch-kabbalistischen Vordeutungen war es, die Giesebrecht bestimmte, nachdem er einmal gefunden hatte, dass die Lehninsche Weissagung nicht vor 1695 niedergeschrieben sein könne, an Oelven als ihren Verfasser zu denken. Er sprach die Ver­mutung aus, nachdem er nur vier Stücke unserer Zeitschrift kannte.