Heft 
(1899) 8
Seite
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J10 l. ordentliche Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

Radius der Krone, gemessen von den äussersten Zweigspitzen bis zum Mittel­punkt des Stammes, misst 8,25 m, der ganze Durchmesser des Zweigdaches also sechzehn und ein halbes Meter. Der Baum ist demnach im Verhältnis zur Ausbreitung seiner Krone niedrig und nicht stark im Stamme, und das gehört zum Charakter der Eibenbäume. Weithin erstrecken die Aste sich, die unteren anfangs nur wenig aufstrebend und in ihrer letzten Ver­zweigung sich nur wenig senkend. Wenn Fontane sagt, dass der Baum mit seinen Zweigen fast den Boden berührt, so ist das ein Irrtum. Es gehört gerade zur Eigentümlichkeit der Eiben, dass sie nicht, wie alleinstehende Tannen es thun, ihre Zweige gegen den Boden herabsenken, sondern die Kraft des Holzes ist so gross, dass die so ausserordentlich weit aus­gestreckten Äste wagerecht über dem Boden schweben und sich in sich halten.*) Das Nadelkl(®l der Eibe ist dunkelgrün, dem der Edeltanne am ähnlichsten in der Farbe sowohl als in der Stellung der nach beiden Seiten glatt abgescheitelten Nadeln. Die Frühjahrstriebe sind glänzend hellgrün. Um die Zeit, da sie sich entwickeln, gewährt der Baum einen reizenden -Anblick. Im ersten Frühling trägt er unscheinbare Blüten; um so mehr fallen im Herbst die Beeren auf, deren Farbe ein eigentümlich feines Rot ist.**)

Unweit dieses alten Eibenbaumes steht ein jüngerer. Ich habe von ihm nur ein Maass genommen, das des Umfanges in mittlerer Stammhöhe. Dasselbe beträgt 85 cm. Er hat einen höheren Stamm und ist im ganzen höher als sein älterer Genosse; weit geringer aber, als bei diesem, ist bei ihm die Spannung des Gezweiges.

Beide Bäume sind von vollkommener Schönheit und ganz tadellos gewachsen. Der jüngere hat für sich den Vorteil, dass er nach allen Seiten hin frei sich ausbreiten kann; dem älteren ist das Hintergebäude des Herren­hauses so nahe auf die Füsse gerückt worden, dass auf dieser Seite seine Zweige an die Mauer des Hauses stossen und durch dieselbe umgebogen sind. Das Alter des älteren der beiden Bäume wird auf 5700 Jahre geschätzt. Ich glaube, es wird mindestens 700 Jahre betragen. Meine Schätzung mache ich nach Eiben, von denen man weiss, dass sie etwa 200 Jahre alt- sind. Solche aber erscheinen, mit dem im Ilerrenhausgarten verglichen, als unmündige Kinder. Dann denke ich auch an den Eibengreis in Mönchhagen bei Rostock, auf dem Grundstück des Erbpächters Halber, über welchen ich im Vorgehenden berichtet habe. Dessen Alter wird von

*) Hier muss ich Trojan widersprechen. An geeigneten Stellen senken sich die Zweige der Eibe nicht blos bis auf die Erde, sondern bis in die Erde, wurzeln und treiben Schösslinge, die, wenn man sie mit der Säge vom Mutterstamm trennt, als selbstständige Lebewesen weiter wachsen. Wie also eine einzelne Kiefer ein Pinetum, so kann eine einzelne alte Eibe in günstigem Boden unter Umständen ein ganzes Taxetum bilden. Eine solche Eibe, deren Zweige in die Erde gegangen sind und dort wurzeln, ist im Charlottenburger Schlossgarten vorhanden unweit der Spree und des Gartenhauses, in welchem dem König Friedrich Wilhelm II. Geistererscheinungen vorgeführt wurden. E. Friedel.

**) Dr. Bolle hielt (vgl. seine zuvorstehende Angabe) beide Herrenhaus - Eiben für männlich. p r