Heft 
(1899) 8
Seite
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1. ordentliche Versammlung des VOT. Vereinsjahres.

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Frauenwelt und liebt an:Ihr Schönen, höret an. Das Lied ist bis zum Jahre 1790 gesungen worden. Von 1740 bis 1790 ist Berlin der Vorort für die deutschen Liederkomponisten. Der grösste unter den Instrumental-Komponisten ist Karl Phillip Emanuel Bach, der Sohn des grossen Bach. Eine seiner brandenburgischen Sonaten gelangte zur Darstellung. Es ist eine kräftige Musik darin, und es ist kein Wunder, dass Mozart von ihm sagte:Er ist der Meister und wir sind die Buben, und dass Haydn ihm alles verdankte. Haydn endlich ist der Meister der Hausmusik. Wir bekamen eine Auswahl seiner schönsten Kompositionen zu hören. Er machte die Klaviermusik herrschend und aus seinen Kompositionen ging die Konzertmusik hervor. Prinz Heinrich war ein grosser Verehrer der Haydnschen Musik, während der grosse König die Flötenkompositionen Quandts bevorzugte. Von diesem Komponisten, einem speziellen Berliner, rührt die Musik des Liedes von Ramler her: Wenn ich ein Mädchen wähle, das gesungen wurde. Neben diesen berufsmässigen Musikern gedachte Herr Dr. Friedländer auch eines Dilettanten, des Justizrats Krause, der im Jahre 176(> eine Sammlung unter dem TitelLieder der Deutschen herausgab. Eines seiner Lieder: Die Nachtigall hat Anklänge geliefert für die Melodie:Ich weiss nicht, was soll es bedeuten. Darin eben liegt das beste Zeichen dafür, dass dieser Komponist einen volkstümlichen Ton zu treffen verstand. Wie ganz anders verhält es sich hierin mit Grauns Opern, deren Musik für unser Ohr geradezu unerträglich ist. Auch seine Kom­positionen Lessingscher Fabeln sind sehr mässig, wie das vorgetragene LiedDer alte und der junge Wein lehrte. Das beste von ilnn ist die im Jahre 1758 komponierte Klopstocksche Ode:Auferstehen, ja auf­erstehen. Einen sehr glücklichen Abschluss dieses Teiles des Vortrages bildete der Gesang des Goetheschen Gedichtes:Kleine Blumen, kleine Blätter in einer seltsam entstellten Melodie. Herr Dr. Friedländer hat sie aus der Beschreibung hergeleitet, die Gottfried Keller von ihr am Schlüsse desSinngedichtes giebt, an jener Stelle, wo er erzählt, wie der Schuhmacher von dem Helden und seiner Gefährtin belauscht, seinen Faden pecht und dabei jenes Lied in seinem heimischen Dialekt vor sich hinsingt. Die verschiedenen Hindernisse an dem Faden zwingen ihn dabei zu eigener Ausgestaltung der Melodie.

Zum Schluss trug Frau Dr. Friedländer, welche die Gesangs­vorträge ihres Gatten in wahrhaft künstlerischer Weise begleitete, auf dem Klavier einige Mozartsclie und Beethovensche Kompositionen vor, die in ihren klangreichen und wechselnden Variationen noch immer das höchste in den deutschen Instrumentalschöpfungen bilden.