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2. (1. ausserordentliche) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.
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2. (i. ausserordentliche) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.
Mittwoch, den 3. Mai 1899, nachmittags 2 Uhr,
Besichtigung des
Wesendonckschen Hauses sowie der Gemälde-Galerie,
In den Zelten 21,
unter Führung des Herrn Professors Dr. Gail and.
Galerie Wesendonck.
Unter den an Zahl nicht geringen Privatgalerien steht, abgesehen von der jetzt der Nationalgalerie einverleibten Gräflich Raczynskischen Sammlung, neben der Raveneschen die Otto Wesendonck sehe Bildergalerie durch Bedeutung des Inhalts, Zahl der Werke und berühmter Meisternamen in vorderster Reihe. Der Besitzer und Urheber dieser Sammlung starb erst im Jahre 1897 im hohen Alter von 82 Jahren, nachdem er mehr als ein halbes Jahrhundert an dem allmälichen Entstehen dieses vornehmen Kunstbesitzes in stiller Selbstfreude gearbeitet hatte. Sein edler Plan war nicht, in diesen Sälen am Tiergarten einen Haufen alter Werke leblos aneinanderzureihen, zu magazinieren, sondern er wollte diese Werke auch als Wanddekorationen in die mit erlesenem Geschmack geschaffene Ausstattung einer Anzahl von Fest- und Wolm- räumen hineinziehen. Und wie Sie sich wohl überzeugen werden, ist es dem thatkräftigen Manne gelungen, den grossenteils auf öffentlichen Auktionen in Paris, London etc. gekauften Erzeugnissen alter Kunst gleichsam neues Leben dadurch einzuhauchen, dass er ihnen eine für den heutigen Kunst- und Geschichtsfreund sehr wertvolle Bestimmung gab: die Freude an dem Schönen rege zu halten, die Entwickelung der älteren Malerei in ihren glücklichsten Epochen stets vor Augen zu haben.
In zwei Stockwerken sind die Gemälde untergebracht. Im Obergeschoss allein ist wirklich der übliche Galerie-Charakter zu finden, die Wände sind von unten bis oben behängt. Dagegen fesselt den Besucher hier unten im Parterre neben den Bildern die kunstgewerbliche Ausschmückung, an der — abgesehen von alten Stücken — wohl alle Epochen seit der Renaissancebewegung in den 70 er Jahren, auch die Gegenwart, beteiligt sind. Geschnitzte Möbel aller Art, kostbare Erzeugnisse der Keramik, Gläser und Porzellane, Miniaturmalereien, Metallgeräte, Bucheinbände giebt es hier in Hülle und Fülle, angeordnet in Glasschränken, auf Tischen, Simsen u. s. w., bilden ein reizvolles