4. (2. ausserordentliche) Versammlung des VIEL Vereinsjahres.
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Es folgen die Dörfer Wellmitz, Breslack, Coschen, Bresinchen, Oft führt die Bahn dicht neben den Gehöften und den Gärten vorüber.
Endlich ist Guben erreicht. Wir wurden von Herrn Oberbürgermeister Bollmann, Herrn Stadtrat Dr. Kühn, Herrn Professor Dr. Jentsch und Herrn Lehrer Gander begrüsst. Auch Herr und Frau Dr. Kreisel waren zum Empfang herübergekommen. In einem dem Bahnhofe benachbarten Ilotelgarten wurde ein kleiner Imbiss gehalten, während dessen Herr Oberbürgermeister Bollmann die Brandenburg^ in Guben willkommen liiess und ihr einen lehr- nnd genussreichen Tag wünschte. Der Rundgang durch die Stadt führte neben der Neisse entlang, so dass am jenseitigen Ufer die Weingärten mit ihren Villen sich auf das schönste präsentierten. Der erste Halt wurde in der Klostervorstadt gemacht, wo Herr Gander vor dem Amtsgericht eine kurze Erklärung der historischen Bedeutung der Örtlichkeit gab. Es standen hier bis 1874 alte Baulichkeiten, die Reste eines Cisterzienser Nonnenklosters, das 1156—58 unter Markgraf Dietrich von Meissen errichtet worden war. Darauf wurde die Neissebriicke überschritten, neben welcher noch die Trümmer eines lialbeingestürizten Hauses zu sehen sind, dessen Fundamente von den Hochwassern des Jahres 1897 weggerissen worden waren. Hinter der Brücke liegt die eigentliche Stadt mit ihren engen Strassen. Den Mittelpunkt bildet der Markt mit dem Rathaus, der Stadtkirche und dem Zweikaiserbrunnen. Das Rathaus, das auf der Stelle eines älteren steht, erhielt seine heutige Gestalt im Jahre 1671—72. Prächtig ausgestattet ist der Sitzungssaal. Die Stadtkirche ist ganz allmählich aufgeführt worden. Der älteste Teil wurde im Jahre 1509 fertig und umfasste nur das Stück zwischen dem Altar und der Kanzel. Im Jahre 1557—60 wurde der Rest nebst dem Turm aufgeführt. Erst im Jahre 1794 war der innere Ausbau vollendet. Die Kirche ist ein gotischer, dreiscliiffiger Hallenbau, und das Innere hat ein reiches Netzgewölbe, das von 15 Säulen getragen wird. Der Altar von 1727 ist reich ausgestattet und die Kanzel ist mit vergoldeten Holzschnitzereien verziert. Der Zweikaiserbrunnen ist 1898 errichtet worden, er ist aus rotem Sandstein ausgeführt und trägt einen kunstvollen eisernen Aufsatz. An der einen der vier Flächen befinden sich die Reliefs der ersten beiden Kaiser. Auch in der Kirche hatte Herr Gander die nötigen Erklärungen gegeben. In der Bibliothek des Gymnasiums waren in übersichtlicher Weise die wertvollsten Stücke der Sammlung aufgestellt. Herr Professor Dr. Jentsch gab hier über die wissenschaftliche Bedeutung der einzelnen Funde die nötigsten Aufschlüsse. Eine grosse Anzahl von Urnen, Steinbeilen, Waffen, Schädeln, Handwerkzeugen u. s. w. aus den verschiedensten Zeiten waren zu sehen. In der Aula wurden die zwei Gemälde besichtigt, welche von einem Bürger der Stadt geschenkt worden sind. Das eine stellt die Christianisierung
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