Heft 
(1899) 8
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Carl Bolle, Altmodische Blumen.

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vereinigen und selbst annähernd Modernes hat unsere Zeit schnell ver­alten sehen. Immerhin bleibt ihre Zahl, obwohl schwankend, eine ziemlich beträchtliche. Dadurch jedoch nähert sie sich wieder derjenigen der Kultursumme der Gegenwart, dass auch diese, zu Gunsten weniger prunkvoller Species, im Ganzen nur eine gegen früher stark geminderte Menge in den Bereich allgemeineren Anbaues eintreten lässt.

Fürs Erste müssen wir das Auge sehr weit rückwärts schweifen lassen um, allerdings noch diesseits Darwinscher Evolutionstheorien, unveränderlich fest gewordenen Pflanzengestalten auf deren Wanderungen folgen zu können. Durch Funde in den verborgenen Grüften egyptischer Pyramiden ist bewiesen worden, dass mit denen der Jetztzeit gleich­artige Typen bereits in fast prähistorisch zu nennenden Zeitaltern sich befestigt hatten.

Wie paradox es klingen mag, so erscheint es mehr als wahrschein­lich, dass Gartenbau in allereinfachster Gestalt dem Ackerbau voran­gegangen sei. Unberechenbar lange vorher ehe an den Bau der Cerealien zu denken war, mag der Höhlenmensch an seine Grotteneingänge und in die Nachbarschaft seiner Lagerstätten diesen oder jenen fruchttragen­den Baum, irgend ein nutzbares Kraut, warum nicht auch eine oder die andere Blume, durch Farbe oder Wohlgeruch seinen Sinnen schmeichelnd, aus der Wildnis verpflanzt haben damit sie ihm näher zur Hand seien. Schmuckbedürftig, wird er sich nicht leicht mit den Trophäen der Tier­welt allein zu diesem Beliufe begnügt haben. Es liegt jedoch natur- gemäss ein zu dichter Schleier über so frühen Dingen als dass es ge­raten wäre, sich in sie zu vertiefen.

Fest steht nur: wo Garten wesen beliebiger Form sich anbahnt, ohne dem Prinzip der Nützlichkeit allein huldigen zu wollen, da ent­sprach es von jeher dem Bedürfnis dafür, einen und sei es auch den kleinsten Fleck idealisierter Natur zu schaffen und auf demselben sich mit Er­zeugnissen der Vegetation zu umgeben, die durch Duft, Zierlichkeit und Farbenpracht die Gewöhnlichkeit des herrschenden Grüns überragten. Man verlangte eben nach etwas mehr als Alltäglichem. Es scheint als wären dies die ersten Anfänge der Blumenzucht gewesen.

Im Süd, sagt Johannes von Müller in seiner Schweizergeschichte, hatten schon volkreiche Nationen feste und grosse Städte, reiche Paläste, Tempel voll Majestät, schöne Künste, Wollüste . . . auch Gärten hätte er hinzusetzen und sie zu letzteren rechnen können. Als im Orient blühend gedenken solcher sowohl heilige wie profane Urkunden. Uber Griechenland gelangten diese Vervollkommnungen zu Etruskern und Römern. Früh schon verfeinerte sich Alles bei diesen, die zuerst doch nur ein Bauernvolk gewesen waren. Bereits vor der Kaiserzeit feierte die Horti- kultur Triumphe in Italien. In dem blumenreichen Lande ergänzte das Götterbild Floras überall das Waffengeklirr des Mars. So stehen wir

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