Heft 
(1899) 8
Seite
188
Einzelbild herunterladen

188

Carl Bolle, Altmodische Blumen.

vor der Zeit, wo zuerst germanische Jünglinge in den Dienst des Im­periums traten, die Legionen den Rhein erreichten, ja weit überschritten. Damals mögen die ersten italischen Blumen in Thusneldas Würzgärtlein oder um den Thurm Yelledas her gepflanzt oder gesäet worden sein.

Seitdem hat wenigstens eine Minderheit von diesen, wie denkbar, wohl die schönsten darunter, auf deutschem Boden festen Fuss gefasst. Der verwildert an Burgen hängende Goldlack, die Levkoien, der Jasmin, einige Iris und Narcissen gehören bestimmt dazu. Man darf dreist sagen: ein kleiner aber sicherer Stamm altmodischer Blumen reicht zurück in die Römerzeit und wurde Germanien durch friedliche wie kriegerische Berührung mit lateinischer Kultur zugeführt.

Leichter als der gegen Temperaturen spröde Lorbeer oder die noch zärtlichere Myrte der Venus vermochten schönblühende Kraut­gewächse sich einer Verschiedenartigkeit des Klimas anzupassen. Wer, wie der Rosmarin, das nicht konnte, der fand wohl auch unter dem Stroh­dach des Germanen gegen Winterkälte wenigstens notdürftigen Schutz. Darüber sind Jahrhunderte hingerauscht.

Hier ist der Ort, von den oft citierten Capitularen Karls des Grossen (Capitulare de villis) zu reden, die ausführlich vom Gartenbau handeln. Am Rhein hatte das Frankenvolk die Erbschaft der Römer angetreten. Es brauchte, bildungsbedürftig, nicht erst am Tiber mildere Sitten zu lernen. Das Nachahmungswerte fand es, allerdings in kleinerem Maass­stabe, nah genug in den erhalten gebliebenen altrömischen Municipien. Da waren Mainz, Köln und Trier, dieses vorübergehend Cäsarenresidenz, da war die auf blühende Lutetia Parisiorum Kaiser Julians, da waren Metz, Soissons und Tours, Königs- oder Bischofssitze, alle diese durch Stürme der Völkerwanderung hindurch, obwohl nicht ohne Anflug von Barbarei, Centren der Civilisation geblieben. Vom Main und Neckar zur Mosel hin blühten mit den Fruchtbäumen und Reben, wenn auch ver­nachlässigter, immer noch jene alten Blumen, mit denen einst Agrippiua ihre rheinische Colonia geschmückt hatte.

Karl der Grosse wollte dies alles wieder neu beleben. Zwei Jahre vor seinem Tode, 812, erliess er seine Capitularen, darin unserem Friederich vergleichbar, den noch in den letzten Tagen seines Lebens die Edelkastanie und der tatarische Maulbeerbaum beschäftigten. Gross war der Einflnss dieser Verordnungen auf das verwildernde Franken­land, auf die neugewonnenen Gaue der Sachsen und Alemannen; aber überschätzen, allzuweit ausdehnen dürfen wir sie nicht. Was Förderung der Blumenzucht anbelangt, so findet sich darin, ausser für Lilie und Rose, kaum eine Fürsorge angedeutet. Pflege des Nützlichen, des Obstes, des Gemüses, einiger Heilkräuter, wird allein empfohlen, Sinn für das Ästhetische tritt gänzlich zurück. Es mag wohl auch Manches als selbst­verständlich und in dem mit römischem Brauch durchsättigten Gallien