Bücherschau.
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Frohe wie trübe Ereignisse finden stets, zumal in der Gegenwart, ihren Wiederhall durch reichliche Erörterung in der Presse; da ist es nicht zu verwundern, dass der unsrem Berliner botanischen Garten drohende Schicksalsschlag eine kleine Litteratur von Derartigem ins Leben gerufen hat. Mitten hinein in die Traurigkeit sothaner Dinge führt uns die vor kurzem erschienene Schrift der Verfasserin, welche Berlin als ebenso kenntnisreiche wie unermüdete Botanikerin, zumal auf dem Gebiete der Pilzkunde, nicht minder aber auch als Verfechterin volkstümlicher Heilkunst kennt. Diesmal begegnen wir ihr auf einem Felde praktischer Werkthätigkeit, auf dem sie, unerschrocken einherschreitend die für das Gemeinwohl erspriessliclisten Lanzen bricht. Wo Männer entweder schwiegen oder nur elegischen Stimmungen in matter Resignation Ausdruck zu geben wagten, da scheut sich diese Dame nicht, mit schneidigem Realismus den Finger auf eine schmerzvoll blutende Wunde zu legen. Zu einer wenn auch schwierigen, ja Vielen unmöglich scheinenden Heilung derselben möge ihr, der Heilkundigen, ein gütiges Geschick mit Energie und Verständnis beizutragen, die Kraft geben.
Klein, aber inhaltsvoll — darf man von dieser nur wenige Bogen starken Broschüre sagen. Was aus derselben hervorleuchtet, ist warme Liebe der Mitbürgerin für das Wohl und Wehe der Stadt, die ihr zur zweiten Heimat wurde, dabei ein überaus lebendiges Naturgefühl für die Reize der Vegetation, zumal der in den Dienst der Menschheit getretenen; aber turmhoch über diesen Tendenzen einer begabten Jüngerin Floras erhebt sich das starke Rechtsgefühl und die unerschütterliche Wahrheitsliebe der Menschenfreundin, die sich, wenn auch auf engerem Felde wirksam, bewusst ist, dass jeder Fussbreit Berliner Bodens den Charakter hochpotenzierter Bedeutsamkeit an sich trägt. Wer hätte wohl in der Busch und Flur durchstreifenden, pilzsammelnden Waldgängerin, auch bei voller Voraussetzung sonstigen Verdienstes, eine so ernst empfundene und zugleich so scharf pointierte Empfindung für Recht und Bürgerwohl vorauszusetzen gewagt?
Alles in allem bleibt die juristische Festlegung der Sachlage Hauptinhalt des Büchleins. Es ist manchmal nicht ganz leicht, auf vielfach sich kreuzenden, oft wirren Pfaden lokalgeschichtlichen Thatsachen, bis in die joachimische Zeit zurückreichend, zu folgen, deren erste Klarlegung ein gewaltiges Quellenstudium zur Voraussetzung hat. Vollkommen neue Gesichtspunkte gehen hieraus hervor und eine schwache Hoffnung auf trotz alledem noch mögliche Rettung dämmert vor uns auf am Fuss ehrwürdiger schwer von der Axt bedrohter Bäume.
Schön und patriotisch ist der hier ausgesprochene Gedanke, es möge durch Fallenlassen der Vernichtungsvorschläge und durch Wandel in der Bestimmung der Baumbestände, in ihrer Umgestaltung zu einem „Kurfürstenpark“ dem statuarischen Denkmal des Begründers von Preussens Grösse ein zweites, seinen Neigungen vielleicht noch entsprechenderes auf der Grenzmark zwischen der alten Stadt Berlin und der neuen Stadt Schöneberg würdig zur Seite gestellt werden.
Weitere Analysierung des Inhalts der Freytagschen Schrift erscheint überflüssig. Es wird niemand gereuen sich mit dem Original bekannt gemacht zu haben, dem, wie zu verraten erlaubt sein mag, noch ausführlichere Details aus
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