7- (5- ausserordentliche) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.
Sonnabend, den 9. September 1899.
Besuch der Berliner Gobelin-Manufaktur von W. Ziescli & Co. Berlin SO., Bethanien-Ufer No. 8.
Die Gesellschaft versammelte sich in dem hohen Parterre-Raum, wo vier bis zur Decke reichende Gobelins aufgestellt waren. Hier ergriff der II. Vorsitzende, Herr Geheimrat Friedei das Wort. Er sprach für die freundliche Einladung den Dank der Gesellschaft aus und schilderte die Schicksale der Gobelinfabrik in Paris, welche er zu drei verschiedenen Zeiten zu besuchen Gelegenheit hatte, und die zur Ausstellung 1900 in vollstem Glanze stehen soll, sowie die Anfänge der brandenburgisch- preussisclien Gobelinweberei zu Berlin im 17. und 18. Jahrhundert.
Nun ergriff Herr Historienmaler Konrad Astfalck das Wort zur Erklärung der ausgestellten Teppiche. Zwei von ihnen waren schon restauriert. Einer dieser war von Pierre Mercier im Aufträge des Grossen Kurfürsten gewebt worden und stellt die Schlacht von Wolgast vor. Die Lichter sind mit Silber erhöht. Der dritte Teppich gehört Sr. Majestät dein deutschen Kaiser, auf ihm ist der Triumpf des Petrarca abgebildet. Er stammt aus der italienischen Renaissance. Der letzte endlich gehört dem Berliner Kunstmuseum. Er gehört zu denen, zu welchen Raffael im Aufträge des Pabstes Leo X. iii den Jahren 1515 bis 1516 die Kartons gezeichnet hat. Er zeigt eine Scene aus dem Neuen Testament.
Darauf begab sich die Gesellschaft in das erste Stockwerk, um die technischen Kunstgriffe zu besichtigen. Die Gobelinweberei wird durch ausgebildete Künstlerinnen geübt, und ebenso geschieht auch die Ausbesserung unter möglichster Erhaltung des Vorhandenen. Das Weben ist höchst zeitraubend. Auf die Rückseite des dichten Kettengewebes wird das auf durchsichtigem Papier gezeichnete Muster des farbigen Originals gelegt, auf die Kette übertragen und dann jede Farbe in
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