Nachtrag zur Sitzung vom 19. April 1899.
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Nachtrag zur Sitzung vom 19. April 1899.
Herr Buchholz: Vor einigen Jahren hatte ich der geehrten Gesellschaft eine grosse Reihe „Berliner Witz-und Redensarten-Bilder“ aus den 1820er und 1830er Jahren demonstriert; sie spiegelten die Richtung wieder, in welcher sich der Berliner Volkshumor unter dem Zwange der Censur bewegen musste. (Vergl. Brandenburgia 1893. S. 159.) Heute habe ich Gelegenheit, 6 ähnliche Produktionen aus dem Jahre 1848 vorzuzeigen. Der Berliner Volkshumor war in diesem Jahre uneingeschränkt auf das politische und lokalpolitische Gebiet übergegangen und es entstand trotz des Ernstes der meisten Vorkommnisse eine solche Menge humoristischer Bilder- litteratur, wie in keinem anderen früheren oder späteren Jahr. Die „Ewige Lampe“, der „Krakehler“, der „Kladderadatsch“, die Glasbrenn ersehen „Ereien Blätter“ und zahllose andere litterarische Erzeugnisse befriedigten die Lach- und Spottbedürfnisse der Berliner. Die hier vorliegenden 6 Blätter von der Meisterhand Hosemanns haben ihren Darstellungsstoff dem letzten Akt der 48er Bewegung in Berlin, der gewaltsamen Einziehung der Waffen der Bürgerwehrmänner, entnommen. Am 11 November war die Bürgerwehr, die zuletzt wesentlich für die Sicherheit der Nationalversammlung gesorgt hatte, nach noch nicht achtmonatlichem Bestehen aufgelöst worden. Die Waffen sollten an das Zeughaus abgeliefert werden. Sämtliche Führer entzogen sich diesem Ansinnen, indem sie ihre Kommandostellen sofort niederlegten. Da ein öffentlicher Aufruf an die Wehrmänner auch nur wenig Erfolg hatte, so beschloss die Militärbehörde die gewaltsame Einziehung. Kleinere Soldatentrupps unter Führung eines Offiziers, von einem Wagen begleitet, zogen unter Trommelschlag durch die Strassen. Die Soldaten drangen in die Wohnungen der ihnen bezeichneten Wehrmänner, um die Waffen einzufordern. Ein Teil der drolligen Scenen, die sich dabei abspielten, ist, mit den bezüglichen humoristischen Redensarten versehen, auf diesen 0 Blättern verewigt:
Ein Meister weist die Soldaten auf den Keller hin: „Gewehr hab ich, aber holen müsst Ihr es euch alleene, un stosst mir keene Flasche um.“
Eine Frau bringt zwar das Gewehr ihres Mannes vor, reisst ihm aber das Bajonnett ab und hält es den Soldaten hin: „Gewehr könnt ihr kriegen, aber en Daler un acht Groschen Reparaturkosten; hier is det Bajonet uf Abschlag.“
Eine andere Frau erwidert den Soldaten: „Mein Mann is nicli zu Hause, das Gewehr kommt nich weg und wenn zehne kommen.“
Auch an Hinweisen auf Bürgerwehrtum und Gewehr als ehelicher Zankapfel fehlt es nicht. Als ein Ehemann auf die Frage des Soldaten, ob er Waffen hat, „nein“ antwortet, interveniert die bessere Hälfte: „Wat, Du hast keen Gewehr? Damit hat er ja den ganzen Sommer verbummelt!“