Heft 
(1899) 8
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9. (4. ordentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.

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Alles deutet eben im norddeutschen Flachlande und besonders in der Berliner Gegend auf ganz aussergewöhnliche Wassermassen, die hier ihre Spuren zurückgelassen haben. Wo diese Wassermassen hergekommen, wurde bereits angedeutet. Zu besprechen bleibt noch in erster Reihe das von diesen gewaltigen Wassermassen ausgewaschene, in den hinterlassenen Thälern zu erkennende Fluss- bezw. Stromsystem.

In der grossen Einsenkung, so zu sagen dem Hauptwellenthale der norddeutschen Oberflächenwellen, zwischen dem mecklenburgisch-pommersch- preussisclien Höhenzuge einerseits und dem Vläming mit seiner östlichen Fortsetzung andererseits lassen sich, aus jeder topographischen bezw. oro- graphischen Karte deutlich erkennbar, drei gewaltige Thäler unterscheiden,*) die man diesem ihrem Verlaufe gemäss als das Glogau-Baruther, das Warschau-Berliner und das jThorn-Eberswalderj Hauptthal oder der Kürze halber und insbesondere für die Berliner Gegend als das Barutlier, Berliner und Eberswalder Hauptthal bezeichnen kann.**)

Alle drei vereinigen sich die als Zwischenstadien späterer Verände­rungen zu betrachtenden heutigen grossen Querverbindungen vor der Hand ausser Acht gelassen in den weiten Moorniederungen des Havelluches und bilden vereint das weite untere Elbthal, d, h. den eigentlichen Urstrom Nord- deutschlands.

Die Stadt Berlin liegt zwar nur in dem einen, dem mittelsten dieser Thäler, an der Oberflächenbildung der Berliner Gegend nehmen aber alle drei Hauptthäler insofern wesentlichen Anteil, als sie sich hier, kurz vor ihrem Vereinigungspunkte, bereits auf wenige Meilen einander genähert haben.

Hierin wie ganz besonders auch in dem Umstande, dass die Gegend von Berlin auf der ganzen Länge des mittleren der drei Urströme, ja über­haupt von Warschau bis hinab nach Hamburg, wenn nicht durchweg die engste, so doch die für einen Übergang günstige Stelle über dieses grosse Längsthal war und somit die Hauptverkehrsstrassen zwischen Süd und Nord hier im Mittelpuukte der Mark sich scharten, dürfte denn auch der erste, man könnte sagen, bodenwüchs ige Grund für die allmählich immer grösser gewordene Bedeutung Berlins gegeben sein, ein Grund, zu dem alle historischen, kommerziellen, wie politischen Gründe erst in zweiter Reihe hinzutraten. Ist doch bei einer grossen Anzahl, und zwar gerade der be­deutenderen Städte, diese Entstehung aus einer ursprünglichen Fährstelle historisch geradezu nachweisbar und in älterer Zeit, wo nicht nur der Fluss, sondern weit mehr die Versumpfungen und Dickichte in den Flussniederungen den Verkehr hinderten, auch um so erklärlicher, weil nicht nur die Ueber- fähr über den Strom, das Stellen von Vorspann u. dergl., sondern auch die sonstigen Bedürfnisse der bei ungünstiger Jahreszeit oft tagelang zu unfrei­williger Rast genötigten Menschen einen lebhafteren Verkehr und immer zahlreichere Ansiedelungen zur Folge haben mussten.

*) Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft XXXI. 1879 S. 18.

**) Geognostisclie Beschreibung der Umgegend von Berlin. Bd. 8 Heft 1 der Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Preussen und den thüringischen Staaten.

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