0. (4. ordentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.
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Ich benutze gern die Gelegenheit, auf den gediegenen Inhalt, der von unserem Mitgliede I)r. Foltiniceano mit grosser Sachkenntnis und Geschicklichkeit redigierten vaterländischen Zeitschrift, welcher die ausgedehnteste Verbreitung vornehmlich in den Kreisen der Heimatfreundlichen zu wünschen, nochmals an dieser Stelle aufmerksam zu machen.
Was lleringsdorf angeht, das uns als das von Berlinern besuchteste Ostseebad nicht wenig interessirt, so will ich noch hinzufügen, dass in dem mir seit 1854 genau bekannten Ort von jeher die Erzählung umlief, Friedrich Wilhelm IV. habe sich bei einem Besuch als Kronprinz daselbst an einem Gericht Pellkartoffeln und Hering (d. h. frischgefangener, gebratener Hering) derartig delektiert, dass er gesagt, der Platz solle „lleringsdorf“ heissen. Ich will diese Legende nicht bestreiten, bemerke auch, dass ich aus den Grundakten des Amtsgerichts Swinemünde vor Jahren festgestellt habe, wie der Ortsname Heringsdorf kein alter ist, d. h. nicht über die Dreissiger Jahre dieses Saeculums zurückreicht. Das Grundbuchblatt lautet auf das Dorf Neuhof, welches zwischen dem Meer und dem Gothensee gerade in der Mitte belegen. Am Strande befand sich eine Herings - Packerei, welche von den Fischern zum Landen und Verarbeiten der frisch gefangenen Heringe angelegt war, wie dergl. Heringspackereien am Aussenstrande der Schwester-Inseln Usedom und Wollin auf den Spezialkarten noch jetzt mehrere vermerkt sind. Aus dieser Ortsbezeichriung „Heringspackerei“ ist, sobald die ersten Logirlüiuser nahe dem Strand entstanden, der von selbst sich darbietende Name „Heringsdorf“ entstanden. Nördlich von der Heringspackerei lag nahe dem Kleinen Schlönsee für die Fischer, Schiffer und sonstigen Reisenden eine kümmerliche kleine Wirtschaft „der neue Krug“ genannt. Diese Ortschaften sind alle von dem sich westlich bis in die Gothenheide, südlich bis zu dem viel älteren Ahlbeck ausdehnenden Weltbad Heringsdorf verschlungen. Von den Tausenden dort alljährlich badenden Berlinern und Brandenburgern weiss wohl kaum einer, dass Heringsdorf lediglich ein kleiner Ausbau des Dörfchens Neuhof gewesen ist. Ähnlich ist auf der Insel Rügen der kleine nahe dem Prorer Wieck belegene Ort Ahlbek von dem eigentlich ziemlich weit vom Strand entfernten Dorf Binz derartig überwuchert worden, dass dies grossartige Seebad nun den eigentlichen Namen führt und die Bezeichnung Ahlbek gewissermassen verschollen ist. Wenn endlich sogar die Schreibweise lleringsdorf (statt Häringsdorf) gegen die Ableitung von dem Fisch „Häring“ Clupea harengus ins Feld geführt wird, so ist das irrig. Bei’eits im Althochdeutschen kommen nach Grimms Wörterbuch für den Fisch beide Formen Häring und Hering vor. Nach Grimm sind beide Schreibweisen „Häring“ und „Hering“ gleichberechtigt. Vor 50 Jahren war „Häring“ beliebter, jetzt schreibt die Mehrheit .„Hering“.