JO. (6. ausseroi'dentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.
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uns mit der freudigen Genugthuung begnügen, dass Kaiser Wilhelm der Grosse auch hier seinem unsterblichen Kanzler Bismarck und dem Drange der deutschen Volksseele folgend, Wandlung geschaffen hat. Da wir in unserm geliebten Kaiser Wilhelm II. einen begeisterten Förderer der überseeischen Entwickelung Deutschlands besitzen, so können wir vertrauen, dass auch fernerhin dem für Deutschland und den Deutschen so unentbehrlichen Kolonialwirtschalt die vollste Teilnahme und Soi’g- falt gewidmet werden wird.
Während die auf die brandenburgisch-preussische übermeerische Kolonisation gerichteten Bestrebungen in ihren geschichtlichen Hauptzügen unserm Volke nicht mehr unbewusst sind, ist es weniger bekannt, dass unter dem Grossen Kurfürsten auch die ersten Ansätze zu einem Deutschen Kolonial-Museuin stattfanden. Der Grosse Kurfürst, welcher sich in seiner Jugend im Haag auf hielt, lernte dort den Sammeleifer der Niederländer kennen und brachte seit seinem Regierungsantritt bald eine stattliche Sammlung von Kunstsachen und Raritäten zusammen, darunter viele Gegenstände, welche von den Handels- und Kriegs-Marine-Kapitänen aus den brandenburgischen Kolonien und anderen überseeischen Plätzen herrührten. Diese Objekte wurden in der sogenannten Kunstkammer vereinigt. Solche Kunstkammern sind eine Spezialität besonders des 17. Jahrhunderts und decken sich in vieler Beziehung mit unseren heutigen Museen, nur dass diese sich in Spezialfächer als Kunstsachen, Kunstgewerbliches, Münzen, Medaillen, Gemmen, Kameen, Wappen und Siegel, Ethnographie und archäologische Sammlungen, physikalische Sammlungen, zoologische, botanische, mineralogische Kabinete u. dgl. m. dem heutigen wissenschaftlichen Bedürfnis entsprechend geschieden und verteilt haben. Was für wunderliche Dinge dergleichen Kunstkammern enthielten, ersieht man z. B. aus der in Kiel 1674 entstandenen Folio-Schrift „Unvorgreiflicher Bedencken von Kunst- und Naturalien-Kammern insgemein“. Der Dresdener Polyhistor Geheime Hofrat Dr. Graesse hat die Bedeutung der alten Kunstkammern gründlich erörtert in seiner Zeitschrift für Museologie, II. Jahrgang, Dresden 1879, No. 1, S. 6 flg.: „Aeltere Systeme von Universal-Museen oder sogen. Kunstkammern“.
Die überseeischen Kunst- und Handelserzeugnisse der branden- burgisch-preussischen Kunstkammer wurden noch bis in dieses Jahrhundert hinein durch die Reisen der Seehandlungsschiffe vermehrt. Der Vortragende entsinnt sich noch von seiner Kindheit her der Königlichen Kunstkammer, wie sie im vierten Geschoss des Schlosses untergebracht, aus 3 Abteilungen bestand: dem Kunstkabinet, dem historischen und dem ethnographischen Kabinet. Dies letztere, die ethnographische Abteilung, konnte in der That als der Anfang eines kolonialen Museums gelten. Es enthielt, abgesehen von den später im Schloss Monbijou unter-
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