11. (5. ordentl.) Versammlung des VIII. Vereinsjahres.
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aber erklärlich, wenn wir an das Ende der Bronzezeit denken, wo eine, man möchte sagen, bereits rationalistische Auffassung des Totenkultus Platz griff und man das edelste Metall lieber nicht unproduktiv dem Toten in die Erde mitgab. Ein grösserer Fonds von Pietät spricht sich allerdings darin aus, dass man glücklicherweise die Beigaben nicht — wie das in noch jüngeren Epochen vielfach üblich — auf dem Scheiterhaufen mit in die alles verzehrenden Feuergluten gab, sondern nachmals den gesammelten Gebeinresten, dem Leichenbrand, beigab, weshalb die Fundstücke alle glücklicher Weise nicht deformiert worden sind. Uebrigens steht das Seddiner Hünengrab keineswegs isoliert da. Im Gegenteil sind auf der Seddiner wie Wolfshäger Gemarkung aus kleineren Grabhügeln seit Alters Bronze- und Urnenfunde gemacht, die sich stilistisch und zeitlich unserm Hünengrab vollkommen anschliessen. Letzteres ist nur, weil einer besonders angesehenen Person angehörig, wie schon angedeutet, reichlicher ausgestattet worden. Dergleichen hierher gehörige Funde, von Herrn Förster Schwertfeger mit grosser Umsicht geborgen, verdankt das Märkische Museum der Güte des Rittergutsbesitzers Herrn Gans Edler Herr zu Putlitz auf Wolfshagen. Auch das Königliche Museum in Berlin besitzt aus der Seddiner Umgegend parallele Gegenstände, ebenso der durch seine schöne Privatsammlung bekannte hiesige Uentier Herr Wilhelm Ratig.
Obwohl die antiquarische Würdigung der Fundstücke aus dem Seddiner Hünengrab keine besonderen Schwierigkeiten darbietet, so giebt das Grab als solches doch verschiedene harte Nüsse zu knacken auf. Offenbar enthielt die Grabkammer die Leichenbrandreste von mehreren, vielleicht vier Personen, darunter die eines ansehnlichen Mannes und einer Frau; es mögen diese beiden ein Häuptling und seine Gemahlin gewesen sein. Wer waren die andern Personen? Andere Familienangehörige oder Sklaven? Wie gerieten diese verschiedenenen Personen in die nämliche Kammer, die mit einem aus Kies und schweren Steinen zusammengesetzten gewaltigen Hügel bedeckt ist, der ca. 10 in hoch und 300 Schritt im Umfang gross war. Denkt man daran, dass bei der Beerdigung litthauischer Häuptlinge noch im 14. Jahrhundert unserer christlichen Zeitrechnung die Gattin freiwillig in den Tod ging und ausser dem Lieblingsross und Edelfalken Sklaven und Sklavinnen mit verbrannt wurden, erinnert man sich ferner, wie die Ilias, ohne ein Gefühl des Entsetzens zu bekunden, kaltblütig erzählt, dass bei der Bestattung des Patroklus durch seinen Freund Achilles ganze Haufen von Sklaven und Sklavinnen geschlachtet und mitverbrannt wurden, so kann man sich einen erschütternden, Grausen erregenden Bestattungsakt eines altgermanischen Häuptlings sehr wohl ausmalen. Das ist vielleicht sogar das Wahrscheinlichere. Wer dergleichen nicht annehmen mag, wer da meint, dass die Germanen, obwohl sie zu Tacitus Zeiten noch