Heft 
(1899) 8
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E. Lemke, Frösche und Kröten.

allgemeinen nur die Seelen der Menschen Beziehung zu den Sternen und Irrlichtern; aber die Beziehung zu den Fröschen und Kröten teilen sie in hohem Grade mit den Hexen. Die Seelen der Menschen können die Gestalt von Frosch oder Kröte annehmen; und dieselbe Fälligkeit besitzen jene Fabelwesen, die unter den Namen Untererdchen, Unter­irdische u. s. w. bekannt sind und die zu der grossen Gruppe von Hausgeistern, Kobolden, Elben, Zwergen u. s. w. gehören, von' denen einige Arten neckisch, schadenfroh und heimtückisch sind, andere aber rührende Züge von Treuherzigkeit, Bescheidenheit und Dankbarkeit auf- weisen. Während nun ausserordentlich weit der Glaube herrschte: die (von den Sternen abstammenden) Zwerge 1 ) u. s. w. wären ein unter Menschen lebendes oder lebend gewesenes Geschlecht (denen man auch die vorgeschichtlichen Graburnen zuschreiben müsse), verschmolzen die mythologischen Vorstellungen von Menschenseelen und Elben oft aufs innigste.Seelen kommen aus dem Elbenreich; und ungetaufto oder missgeborene Kinder die für blosse Seelen oder Halbgeschöpfe galten wurden zu Hauskobolden. Alp ist die dem Körper entschlüpfte Seele; das Irrlicht, in das sich die Seele wandelt, heisst auch Elflicht. Elben und Zwerge heissen Üllerken, Ölken, Eltern? Die nordischen Zwerge Ai Urgrossvater 2 ). Aber die Elben wurden auch zu Hexen 3 ); und wir werden nachher sehen, wie die Hexen wiederum zu Kröten werden. So greifen verschiedene Ideenkreise in einander, gleich Ringen, die anfangs selbständig geschaffen, aber ehe sie geschlossen waren mit den anderen vielfältig verbunden wurden; die Zeit hat sie z. T. so zusammen­schmelzen lassen, dass sie scheinbar einen einzigen Klumpen bilden. Scheinbar! nämlich für den Unkundigen, indes wir immer noch im Stande sind, bei liebevoller Betrachtung und aufmerksamer Prüfung den einzelnen Ring mehr oder minder deutlich nachweisen zu können. So vermögen wir auch in jene Zeit hinüberzuspähen oder hinüberzuhorchen, die für unser Volk, d. h. für uns alle im weiteren Sinne, das bedeutete, was einst für uns persönlich unsere Kindheit mit ihren Märchen und Fabeln, ihrem hülflosen Grübeln und ungeschicktem Zurechtlegen des Unverstandenen bedeutete.

Der Volksinund weiss zwar von vielen Untererdchen u. derg!., die in Froschgestalt erschienen 4 ), da aber die Kröte die bevorzugtere Maske war, wollen wir nachher näher hinsehen. Im Spreewalde vertreten grosse Frösche den Nyx, vor dem man dort die Kinder gerade so warnt,

*) Otto Henne am Rhyn. Die deutsche Volkssage, 2. Aufl., S. 283. .

a ) E1 ard Hugo Meyer. Germanische Mythologie, S. 133.

3 ) Ebd. S. 135.

4 ) Karl Bartsch, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg. I, S. 90. E. Lemke, a. a. O., I, S. 94. W. v. Schulenburg, W. V. i. S., B. u. S , S. 53. W. v. Schulenburg, Wendische Volkssagen und Gebräuche aus dem Spreewald, S. 128.