Heft 
(1899) 8
Seite
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E. Lemke, Frösche und Kröten.

Unke (Bombinator igneus Men\), 4 cm lang, oberseits dunkelgrün oder braun, unterseits stahlblau oder blauschwarz mit orangeroten bis scharlach­roten Flecken. Sie bewohnt Skandinavien, Nord- und Mittel-Deutschland, Russland, Ungarn, Österreich und Böhmen. Ihr liebster Aufenthalt ist ein Sumpf, wo sie eintönig nnd melancholisch schreit. Auch sie nährt sich nur von Insekten und Schnecken. Ihre Nerven müssen aber recht schlecht sein, denn sie ist äusserst furchtsam.

Auch hier wollen wir uns auf drei Exemplare beschränken, obgleich manche andere Kröte zu besonderem Interesse Veranlassung giebt.

Die Hässlichkeit der Kröten hat ihnen von jeher ein wirklich tra­gisches Schicksal bereitet. Sie werden nicht nur im allgemeinen miss­achtet, beschimpft und verleumdet, sondern auch gestossen und geschlagen, aufgespiesst und sonstwie gemartert; ihr Name allein gilt als Schimpf­wort, als gleichbedeutend mit Bösewicht, Hexe u. dergl. m., schauder­hafte Untliaten werden auf sie zurückgeführt, und ihr Erscheinen genügt, um sich aller möglichen Schrecknisse zu entsinnen. Das ungewöhnlich zähe Leben, wie die grosse Massigkeit imEssen und Trinken und die lange geduldig getragene Entbehrung fast aller Nahrung werden statt dass sie Bewunderung erregen und Lob eintragen als Beweise ab­scheulicher, unheimlicher Natur und als Mangel an Aufrichtigkeit an­gesehen.

Ein wenig machen wir Ostpreussen (und wohl auch einige andere) diesen Fehler gut, indem wir jemand, den wir lieb haben, vorwiegend Kinder und junge Mädchen,Kröte nennen; dann heisst es etwa:Ach, mein einziges, liebes Krötchen!Komm mal her, mein Krötchen! Aberauch: ,.Na, wart, Du Kröt! In Berlin sagt man (nach E. Krause, a. a. 0., S. 85):Wird ein KindKröte geschimpft, so gedeiht es nicht, sondern musselendiglich verquienen (dahinsiechen).

Es ist behauptet worden: wäre die Kröte in hundertfacher Ver- grösserung vorhanden, so würde sieals Raubtier ein Unikum sein. Hieran knüpft Steinthal, vornehmlich mit Bezug auf merkwürdige Eigenschaften beim Insektenfange, eine Betrachtung, innerhalb welcher die Kröte als Symbol des Kerberos erscheint. Das Hineinziehen des Opfers und fast gleichzeitiges Verschlucken desselben, sowie überhaupt der ganze Vorgang, der keinen Widerstand findet, hätten schon die Ur- völker aufs höchste interessieren müssen').

In der Bibel (3. Mos. 11,29) ist die Kröte als Speise verboten. Daher gilt es selbst in Märchen für das schlimmste Zeugnis einer ver­dächtigen Person, wenn sie sich Kröten bratet. Aber dann handelt es sich doch gewöhnlich um Gewinnung des kostbaren Krötenfettes, mit

') Steinthal, Sep.-Abd. a. d. Archiv für Religionswissenschaft. (Die Kröte im Mythos.)