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Berliner Zustände und Persönlichkeiten etc.
und Mehring ist die lange Reihe seiner literarischen Arbeiten verzeichnet. Gestorben ist er in Berlin am 30. März 1827. Das Werk nun, das uns hier beschäftigt, ist ebenfalls eine Übersetzung oder genauer genommen eine Bearbeitung. Der bekannte dänische Lustspieldichter Ludwig Holberg hatte 1741 in lateinischer Sprache ein Werk erscheinen lassen, dessen Titel folgendermassen lautet: Nicolai Klimii iter subterraneum novam telluris theoriam ac historiam quintae monarchiae adbuc nobis incognitae exhibens e bibliotheca B. Abelini, zu deutsch: Niels Klimms unterirdische Reise enthaltend eine neue Theorie der Erde und die Geschichte der fünften bisher unbekannten Monarchie aus der Bibliothek des heiligen Abelinus. In dieser Schrift schilderte Ilolberg nach dem Vorbilde der noch heute als Jugendschrift gelesenen Reisen Guillivers von Swift die Abenteuer eines Menschen auf seiner Fahrt durch fabelhafte Völker und Gegenden mit dem Zwecke, in den Schilderungen des Tuns und Ti’eibens dieser Fabelwesen seinen Zeitgenossen einen Sittenspiegel vorzuhalten. Von diesem Werke nun gab unser Mylius eine freie Übersetzung, indem er sich im allgemeinen genau an seine Vorlage anschloss, im einzelnen aber Änderungen, Weglassungen, Umwandlungen und Erweiterungen' vornahm. Durch Vergleichungen mit dem Originale lassen sich diese Partien genau feststellen, die zweifellos den Zweck haben, Torheiten und Laster seines Zeitalters und seiner speziellen Heimat zu geissein. Wo es sich um einzelne Persönlichkeiten handelt, teilt er nicht die wirklichen Namen mit, sondern bildet neue Namen, manche durch Umstellung von Buchstaben. Nicht überall habe ich feststellen können, welche Persönlichkeiten, welche Verhältnisse gemeint sind. Auf diese Myliussche Bearbeitung hat bereits Paulus Cassel, der verstorbene Prediger an der hiesigen Christuskirche in seiner Schrift über Friedrich Wilhelm II aufmerksam gemacht. Er nennt die Myliussche Schrift unter den Satiren auf Friedrich Wilhelm II und seine Zeit und schreibt: „Die Schrift ist keine Übersetzung, sondern soll eine Satire auf die deutschen, zumal kirchlichen Zustände sein. Sie ist nicht ohne Interesse und wenig bekannt, nicht einmal Gödeke führt sie an. Man kann aus dem Wust von Namensverzerrungen und künstlich versteckten Daten kaum herauskommen.“ Cassel hat das Verhältnis unserer Schrift zu dem Holbergschen Werk nicht erkannt und deshalb nicht gesehen, dass Mylius die seltsam gebildeten Namen aus seiner Vorlage, soweit er dieser überhaupt gefolgt ist, herübergenommen hat.
Ich will nun versuchen, in grossen Zügen den Inhalt der Holbergschen Schrift mitzuteilen, auf Mylius Zusätze und Änderungen genauer einzugehen und ihre Beziehungen auf Berliner Zustände und Persönlichkeiten zu deuten. Bei diesen Deutungsversuchen muss ich mich, um Ihre Geduld nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen, auf den wichtigeren 1. Teil der Schrift beschränken.