Heft 
(1904) 13
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Berliner Zustände und Persönlichkeiten etc.

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Mirabeau iu seiner Geheimen Geschichte des Berliner Hofes (II, 139) schreibt über ihn:DerPasquillenschreiberCranz, welcher von FriedrichII. aus dem Lande gejagt ward, weil er die Kasse bestohlen und ein Pferd dreimal verkauft hatte, ist mit 800 Talern Pension wieder zurückberufen worden. Der König w'ollte, dass ihn Herzberg anstellen sollte. Dieser antwortete, der Mann sei zwar voller Talente und sehr schätzbar, aber zu wenig diskret, als dass er bei auswärtigen Angelegenheiten gebraucht werden könnte. Nun schlug ihn der König dem Minister Werder vor, welcher die Fähigkeiten und Einsichten Cranzens zwar eingestellt, zu­gleich aber hinzusetzt, da sich Kassen bei ihm befänden, könne er Granzen nicht brauchen. Endlich bringt der König den überall gelobten und überall zurückgewieseneu Cranz bei den Landständen an, die ihm für sein Nichtstun 800 Taler geben. Zu dieser Charakteristik stimmen die Notizen, welche Redlich in der Allg. D. Biographie zusammengetragen hat. Nur über seine Frau heisst es dort abweichend von Mylius Dar­stellung, Cranz habe sich in Altona mit einem sehr wohlhabenden Mädchen verheiratet, das sich später wieder von ihm scheiden liess.

Tn der Stadtapotheke zu Mutak findet Klimm unter andern Pastor SchliglasbersTrost eines von dieser Welt abscheidenden Gläubigen und Erbauliche Betrachtungen auf alle Tage des Jahres vom Oberpriester Ezög als vorzügliche Purgiermittel aufbewahrt. Mylius will mit dieser spöttischen Bemerkung den aus seinem Streite mit Lessing bekannten Hauptpastor Göze in Hamburg und den orthodoxen Oberkonsistorialrat Silberschlag in Berlin treffen.

Weiter geht Niels Klimms Reise durch die mannigfachsten Wunder­länder. Tn dem Lande der überaus frommen und sittenstrengen Lumba­le aner trifft Klimm in einer Weinstube einen kleinen feinen Mann mit einer Adlernase, einem stolzen Air und brennenden Augen in Gesellschaft zweier Komödiantinnen. Yon jenem Manne heisst es:Er ist eine

Person, welche die wichtigsten Ämter im Staate bekleidet und billig ein Muster der grössten Sittsamkeit sein sollte, und verschlampampt hier sein Vermögen, ohne weder Rücksicht auf seine eigenen noch nicht völlig erzogenen Kinder noch auf die Armen und Waisen zu nehmen, deren Vater er auch sein sollte, aufs unverantwortlichste mit Komödi­antinnen und Courtisanen jeder Art. Das Mädchen mit dem fürchter­lichen Embonpoint und den beinahe gichtischen Bewegungen der Freude dort ist unsere erste tragische Schauspielerin, die trotz ihrer mutter­artigen Figur in den jugendlichsten Rollen fast Abend für Abend unser Auge beleidigt. Sie hat schon manchen auf die Hefen gebracht und wird gewiss mit diesem alten Schächer nicht säuberlicher verfahren. tür die Zeitgenossen waren diese Andeutungen hinreichend, um die gezeichneten Personen zu erkennen, für uns sind sie es nicht mehr.

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