Heft 
(1904) 13
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20. (9. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

einen Aufsatz von A. Trinius vor, dem geistvollen und poetischen Schilderer märkischer Heimat, jetzt leider durch Übersiedlung nach Thüringen uns entzogen, der beweist, wie Trinius unsere heimatkund­lichen Verhältnisse noch immer mit aufmerksamer Liebe verfolgt. In dem warm empfundenen ArtikelEin verlorenes Dichtergrab (Berl. Lok.-Anz. vom 20. d. M.) heisst es u. a.:

Wie ich die denkwürdige Stätte damals zuerst fand, ist sie auch ge­blieben. Zwischen einem Gemisch von Ahorn und Akazien liegt, eisenum- wehrt, das Doppelgrab, über das ein junger Eichbaum seine Zweige breitet. Der einfache Grabstein trägt die lakonische Inschritt:

Heinrich von Kleist, geboren am 10. Oktober 1776, gestorben am 21. November 1811.

Den Namen der Frau, mit der er vereint aus dem Leben ging, nennt keine Tafel. Ein unbekannter Verehrer hat dann noch auf das Grab einen Porzellanstein niedergelegt, welcher, damals bereits halb verwischt, die so bezeichnenden Worte trägt:

Er lebte, sang und litt

In trüber, schwerer Zeit;

Er suchte liier den Tod

Und fand Unsterblichkeit.

Das Unglück des Vaterlandes, seine eigene kummervolle Lage und ein der Freundin, Frau Henriette Vogel, abgegebenes Versprechen, drückten dem Dichter endlich die Waffe in die Hand. Jene PTau, an einem unheil­baren Leiden krankend, hatte ihm einst das Versprechen abgenommen, ihr den grössten Freundschaftsdienst zu erweisen. Und als er dies zugesagt hatte, da erinnerte sie ihn eines Tages an seinen Schwur.

Wohlan, sprach sie,töten Sie mich! Meine Leiden haben mich dahin geführt, dass ich das Leben nicht mehr zu ertragen vermag. Es ist freilich nicht wahrscheinlich, dass Sie das tun, da es keine Männer mehr auf Erden gibt; allein . . .Ich werde es tun, erwiderte Kleist;ich bin ein Mann, der sein Wort hält! Beide batten zuerst beschlossen, sich in Kottbus zu töten. Denn aber reifte ein anderer Plan.

Am Nachmittage des 20. November langten sie in einem Wagen vor dem Kruge von Stimming am Wannsee an. Beide schienen heiter und an­geregt. Der Abend und die Nacht ward zumeist mit Briefschreiben zugebracht. Am andern Morgen sandten sie einen Boten nach Berlin und Hessen sich darauf Tisch, Stühle und den Kaffee hinüber ins Akazienwäldchen bringen. Nicht lange darauf ertönte ein Doppelschuss. Kleist hatte nur zu gut sein Manneswort eingelöst. Er hatte zuerst die Freundin getötet und dann sich selbst.

An derselben Stelle, wo man ihre entseelten Leiber fand, sind sie dann auch beerdigt worden. Dass Heinrich von Kleist den vom Geschick nicht eingelösten Schuldschein auf ein bescheidenes Glück endlich zerriss, um frei­willig dem Dasein zu entsagen, fand damals die schärfsten und wider-