Heft 
(1904) 13
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Das letzte Waldkonzert im Grunewald.

mit fürchterlichen Krachen zusammen- oder niedergestürzt. Doch lass nur Freund, du findest keine niedergestürzten Bäume, du suchst ver­geblich darnach, das Krachen waren nur Töne der Pauke in dem Konzert und die Paukenschläger verrichten keine halbe Arbeit.

Aber was ist das nun wieder, sind Ziegen oder Katzen auf der Jagd: ein kurzer Ton, ähnlich wie ihn die Katze hören last, schreit sie nicht direkt ihr Miau, sondern ihr schmeichelndes ist zu hören Nun, lieber Wanderer, dieses kurze dient nur den Konzertisten des Grunewalds dazu, ihre Stimmen noch kräftiger ertönen zu lassen und die Pauke noch kräftiger zu bearbeiten.

Doch die Zeit enteilt, der Heimweg muss angetreten werden, so fesselnd auch die ganze Situation ist. Gern nimmt man das Unbequeme, hier und dort über eine Baumwurzel zu stolpern mit in den Kauf, denn noch immerfort ertönt die Musik, noch immerfort kracht es ringsum, aber endlich ist der Bahnhof Grunewald erreicht nicht ohne einige kräftige Flüche über die wiederholten Saltomortale, die man auf der letzten Strecke des Weges infolge der durch das scharfe elektrische Licht geblendeten Augen über die hier besonders über dem Waldboden be­findlichen Baumwurzeln machen musste.

Schied man bisher schon ungern von diesem Stück Naturleben, so wurde der Abschied in diesem Herbst ein doppelt schwerer, war es doch ein Abschied für immer! Nicht nur vom Grunewald in seiner bisherigen Gestalt, sondern auch von seinen vornehmsten Bewohnern, den Hirschen. Denn wie allgemein wohl bekannt, soll der Berlin nahe gelegene Teil des Grunewalds in einen Yolkspark umgewandelt werden und mit ihnen verschwinden seine Musiker die Hirsche. Teils werden sie abgeschossen, teils in die Oranienburger Heide bei Lehnitzversetzt.

Das vorhandene Raubzeug scheint man uns zu belassen; ob Ver­kehrungen getroffen sind, dass auch dieses ausgerottet wird, oder ob zu dem vierbeinigen sich noch das zweibeinige dereinst gesellen wird, darüber habe ich näheres nicht in Erfahrung bringen können.

Frage ich in meinem Bekanntenkreise und insbesondere geborene BerlinerHaben Sie schonmal den Hirsch im Grunewald schreien hören?, so erhalte ich die ständige Antwort:Nee, wat isn det? Und daraus ersieht man wieder, wie wenig der Grosstädter die Natur kennt und wenn er sie bereits kurz vor seinem Stadttor kennen lernen kann. Die meisten Berliner kennen den Grunewald und seine Bewohner nur von ihren Tagesausflügen her; sie freuen sich, hier und dort ein Rudel Hirsche der Ruhe pflegend oder äsend anzutreffen und gross ist ihre Freude, wenn sich dieser oder jener Hirsch veranlasst sieht, sein Bummeln durch einen kurzen Sprung zu unterbrechen, aber was sonst