Heft 
(1904) 13
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Das letzte Waldkonzert im Grunewald.

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im Walde geschieht, wie sich das Wild sonst bewegt, das kann so leicht niemand der Tagesbesucher des Grunewaldes erzählen.

Wie bekannt fällt die Brunst- oder Paarungszeit der Hirsche in die Monate September bis etwa Mitte November. Während der Edelhirsch, Cervus elaphus sich bereits im September zu paaren beginnt, fängt die Zeit für den Dammhirsch Cervus damer gewöhnlich erst im Monat Oktober an. Die günstigste Gelegenheit, den Dammhirsch hierbei zu beobachten findet man im Grunewald in dem L Teil desselben, der zwischen Teufelssee und Wannsee belegen ist. Vielfach am hellen Tage, insbesondere aber, wenn die Dämmerstunde herannaht, kann man ihn aus dem Stangenholz kommen sehen, oder er steht bereits im hohen Holz. Wie ganz anders sieht das Tier aus gegen damals im Sommer. Damals trug sein ganzes Wesen den Ausdruck der Faulheit und Be­quemlichkeit an sich. Doch heute stolz erhobenen Hauptes schreitet er einher, elegant, leicht tänzelnd im Gang, das Auge leuchtend: so eilt er vorwärts, dabei sein kurzes Gebrüll ausstossend, das einem rauhen, heiseren Gebell oder Geblök nicht unähnlich ist.

Geräuschlos wird der Wald durchwandert und da die Tiere zu dieser Zeit auch ihre Scheu vor dem Menschen zum Teil abgelegt haben, so steht der Beobachter ohne sein Zutun oft mitten in einem Rudel schreiender Hirsche. Man sieht sich gegenseitig etwas erstaunt an and bleibt beiderseits in respektvoller Ferne. Denn auch dem Beobachter ist eine Hirschkeule im Magen lieber wie ein Hirschgeweih.

Konnte man, solange das Tageslicht noch einigermassen anhielt, den männlichen Hirsch betrachten, wie er auf seinem Pfade der Liebe suchend den Wald durchstreifte, so hört man beim Schwinden des Tageslichts plötzlich in einiger Entfernung ein kurzesMäh! Der Hirsch antwortet und bald hat sich das Pärchen gefunden. Dochwer lieben will, muss leiden erfährt auch unser Hirsch, denn kampfbereit mit gesenktem Kopf tritt ihm ein Rivale in den Weg, der ihm den Besitz der Geliebten streitig machen will. Er kann daher nicht anders, er muss sich mit dem Gegner messen, er will es aber auch nicht, das verbietet ihm seine Hirschehre, denn sonst stände er von den Hirsch­damen verächtlich über die Schulter angesehen da. Darum also Macht Euch fertig, fertig ist, los! und im ersten elegantesten Sprunge gelien beide Gegner gesenkten Hauptes aufeinander los und die Geweihe fahren krachend zusammen, als wenn Bäume krachend niedersausten. Der Anprall ist so heftig, dass beide Tiere sich gegenseitig zurück­schleudern, dass sie beide den festen Boden unter den Füssen verlieren, oft hoch in die Höhe steigen, oft beide in die Knie sinken. Aber immer .von neuem geben sie gegeneinander los, bis der schwächere von ihnen den Kampf als für ihn aussichtslos aufgiebt und dem Gegner die