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1. (1. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.
Die Heiliggeistkirche, die durch die Verbindung ihrer Seelsorge mit der an Nikolai und St. Marien, wie durch das Hospital selbst dem Magistrat als Patron unterstellt war, hat eine bis in das dreizehnte Jahrhundert zurückreichende Vergangenheit und darf wegen dieses ehrwürdigen Alters sowohl, wie wegen ihrer baugeschichtlichen Bedeutung den Anspruch erheben, als ein seltener Zeuge so alter Zeit in Berlin erhalten zu werden.
Man hat vor dreissig Jahren den grossen Fehler begangen, die alte Gerichtslaube, die nur in Berlin selbst ihre Berechtigung hat, nach ausserhalb bringen zu lassen, und zwar nach dem Park zu Babelsberg, wo für dieses seltene und wertvolle Denkmal der geschichtliche Boden fehlt. Dieses Werk, das hoffentlich bald wieder einen Ehrenplatz innerhalb der Reichshanptstadt finden wird, entstammt derselben Zeit wie die Heiliggeistkirche, zu deren Erhaltung aus vaterländischen Gesichtspunkten heraus alles, was eben noch möglich ist, jetzt noch geschehen sollte. Die Ältesten der Kaufmannschaft, die zur Zeit die Pläne für die Bebauung des grossen Geländes an der Spandauer Strasse bereits ausgeschrieben haben, werden sicher geneigt sein, bei der Ausführung die Umgehung und Schonung der Kirche durchzusetzen. Es wird zweifelsohne nicht ganz leicht sein, in stilistischer Hinsicht eine bereits vom Künstler fertiggestellte Architektur dem Kirchlein anzupassen oder dasselbe bei seiner Lage an der äussersten südlichen Ecke des Grundstücks etwa als Lesesaal oder Sammlungsraum einem Plan organisch und zweckmässig einzufügen; immerhin müsste der Versuch doch gemacht werden, da eine angeblich geplante Übertragung des alten Bauwerks — etwa in den Park des Märkischen Provinzialmuseums — sehr grosse technische und historische Bedenken hat, über die man nur im alleräussersten Notfall hinwegsehen sollte. Die Erhaltung der Kirche würde für alle Zeiten eine Bereicherung der Stadt Berlin sein, die deren Verlust hinterher sicher recht schwer beklagen würde.
Die Schriftleitung bemerkt hierzu:
Eine Übertragung würde einer Zerstörung des Baudenkmals gleichkommen. Jedenfalls kann ein Ersatz für das geschichtliche Baudenkmal an der Grenze der ersten Befestigung Berlins, wo es vor über 700 Jahren errichtet wurde, durch einen Neubau (denn das würde ein Wiederaufbau an anderer Stelle bedeuten) nicht geschaffen werden. Die Erhaltung eines geschichtlichen Baudenkmals hat nur an der Stelle seiner Entstehung Bedeutung. Im vorliegenden Falle bildet die Heiliggeistkirche eine Ecke des für die Handelshochschule in Aussicht genommenen Geländes, ihre Erhaltung erscheint deshalb bei gutem Willen wohl ausführbar zu sein. Es könnte hier sogar die Not zur Tugend werden, wenn durch die stehenbleibende kleine Kirche die Architekten dazu angeregt würden, die einspringende Ecke zu einer reizvollen architektonischen Lösung im Entwurf zur neuen Handelshochschule zu verwerten. Die Grundfläche der Heiliggeistkirche misst nur etwa 12 zu 20 m. Diese 240 qm grosse Fläche macht etwa V, > des in Aussicht genommenen Bauplatzes aus und ist so gering, dass sie wohl entbehrt oder an anderer Stelle, etwa im Hof, wieder eingebracht werden könnte.