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5. (2. ausserordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.
Der Kaiser geht mit Pracht, der Arme schlecht bedeckt,
Der schwache Greis am Stab, der Jüngling froh geweckt;
Der Kranke und sein Arzt; der Thor als auch der Weise,
Der Karge mit dem Schatz, der Schwelger auf die Reise Nach einem Endpunkt hin — denn Alles ist hier gleich:
Rang, Zeit ohn’ Unterschied fällt ab auf (1) einen Streich.
Hier mein Sohn! betrachte die Unsicherheit des Lebens — wandle stets weise, bider und thätig!
Diess sind die heissen Wünsche Deines Vaters.
Berlin, den 24. Maj 1794. C. F. Götzloff.
Die ersten Eintragungen sind von 1791, die letzte (Blatt 55) ist vom 16. November 1800.
Den Anfang macht eine Widmung in arabischer Schrift, nämlich die Tughra, d. h. das Handzeichen bezvv. Wappen, des Sultans Selim III. „Sultan Ahmed Selim Chan talet Ghäzi, Fatih thäni Masr“ (Sultan Achmed Selim Chan III, der siegreiche, zweiter Eroberer von Aegypten).
In der Ecke links unten Unterschrift des türkischen Gesandten in Berlin: „Ithr chamöh Ahmed Azmi li-sseneh 1206 II.“ (Eigenhändige Unterschrift Achmed Azmi im Jahre 1206 der Iledschra, d.li. August 1791). Herr Maarbes, Magistratssekretär und Lektor am hiesigen orientalischen Institut hat die Freundlichkeit gehabt, diese Schriftzüge zu entziffern und zu übersetzen.
Selim III. gehörte zu den Orientalen, die wir heut Reformtürken nennen. Geboren 23. Dezember 1761 regierte Selim von 1789—1807 (ermordet 1808) und hatte den besten Willen, gleich Friedrich II. für Preussen und Josef II. für Österreich der Reformator der Hohen Pforte zu sein. Seine Absichten scheiterten an dem beginnenden Verfall des Osmanen-Reichs, welches damals schon vor drohender Aufteilung stand und, gerade wie heute, nur deshalb diesem Schicksal nicht unterlag, weil die Grossmächte sich über die Anteile nicht einigen konnten, zumal Russland, wie gewöhnlich, den Löwenanteil, Konstantinopel, beanspruchte. Preussens Stellung bedingte die Aufrechterbaltung des Status quo und es bedrohte im türkischen Sinne deshalb Österreich, als dieses der Türkei wiederum zu Leibe ging. Österreich musste im Jahre 1791 im Frieden zu Szistowo Belgrad wieder an die Türken herausgeben. Vielleicht entsinnen Sie sich des interessanten bedruckten Erinnerungstuches, welches ich in der Brandenburgs am 23. Januar 1895 vorlegte und das diesen Frieden behandelt. Seite 306 und 307, Jahrgang III unsers Monatsblattes Brandenburgs (1894/95) finden sich die politischen Vorgänge eingehend von mir erörtert. Friedrich Wilhelm II. — der Nimbus seines grossen Vorgängers wirkte damals noch nach — spielte hier noch einmal die Grossmachtstellung Preussens aus. In den Schwerpunkt