Heft 
(1904) 13
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7. (5. ausserordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.

die Burgstrasse erstreckt hat. Bei A. Cosmar, Sagen und Miscellen aus Berliner Vorzeit S. 1 ff. (wiedergegeben bei A. Kuhn, Mark. Sagen und Märchen, 1843, S. 120 flg. und bei W. Schwartz, Sagen und alte Ge­schichten der Mark Brandenburg, seit 1871 vier Auflagen) wird wörtlich erzählt:Auf dem Kirchhofe des Hospitals zum Heiligen Geiste in Berlin haben vor vielen Jabren, wie das bejahrtere Leute noch immer von ihren Altern gehört haben, drei gewaltig grosse Linden gestanden, die mit ihren Ästen den ganzen Raum desselben weithin überdeckten. Das wunderbarste an diesen Bäumen war, dass sie mit den Kronen in die Erde gepflanzt waren und dennoch ein so herrliches Wachstum erreicht hatten; aber dieses Wunder hatte auch die göttliche Allmacht gewirkt, um einen Unschuldigen vom Tode zu erretten. Vor vielen Jahren lebten nämlich in Berlin drei Brüder, die mit der herzlichsten Liebe einander zugethan waren und mit Leib und Leben für einander einstanden. So lebten sie glücklich und zufrieden, als dies Glück plötzlich durch einen Vorfall gestört wurde, den wohl keiner hätte ahnen können. Denn so unbescholtenen Wandels auch alle drei bisher gewesen waren, wurde doch der eine derselben des Meuchelmordes angeklagt, und sollte, ob­gleich er noch kein Geständnis gethan, da alle Umstände die ihm zur Last gelegten That wahrscheinlich machten, den Tod erleiden. Noch sass er im Gefängnisse, als eines Tages seine beiden Brüder vor dem Richter erschienen, und jeder derselben sich des begangenen Mordes schuldig erklärte. Kaum hatte dies der zum Tode Verurtheilte vernommen, als auch er, indem er erkannte, dass seine Brüder ihn nur retten wollten, der That geständig wurde und so statt eines Thäters auf einmal drei vor Gericht standen, von denen jeder mit gleichem Eifer behauptete, dass, er allein jenen Mord begangen. Da wagte der Richter nicht den Urtheilsspruch an dem ersten zu vollstrecken, sondern legte den Fall zuvor noch einmal dem Kurfürsten vor, welcher verordnete, dass hier ein Gottesurtheil entscheiden soll. Er befahl daher, ein jeder der drei Brüder solle eine junge, gesunde Linde mit der Krone in das Erdreich pflanzen, so dass die Wurzeln nach oben stünden, wessen Baum dann vertrocknen würde, den hätte Gott selbst dadurch als den Tliäter bezeichnet. Dies Urtheil wurde auch sogleich beim Anbruch des Frühlings vollzogen, und siehe da! nur wenige Wochen vergingen und alle drei Bäume, die man auf dem Heiligen-Geist-Kirchhofe gepflanzt hatte, bekamen frische Triebe, und wuchsen bald zu kräftigen Bäumen heran. So ward denn die Unschuld der drei Brüder erwiesen, und die Bäume haben noch lange in üppiger Kraft an der alten Stelle gestanden, bis sie endlich verdorrt sind und anderen Platz gemacht haben.

Ich darf hieran unmittelbar anknüpfend nicht unterlassen, daran zu erinnern, dass unser verehrtes Mitglied FräuleinClara Henriette von Förster diese Begebenheit in der DichtungDie drei Linden,