Heft 
(1904) 13
Seite
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Eingemauerte Segenssprüche in mittelalterlichen Bauwerken.

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Adiutor(i)um n(ost)r(ii)m in (nomine) d(o)m(ini) qni fecit celu(m) et terram, adintro (ibo ad a)ltare d(ei) ad (deum q) ni letificat iuventutem me(am).

und enthält den Anfang des Introitus der römisch-katholischen Messe, zu deutsch: Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat (Psalm 124,8). Ich werde eingehen zum Altäre Gottes, zum Gott, der meine Jugend erfreut (Ps. 48,4).

Daß diese Worte von der Hand eines Klerikers in den noch feuchten Ziegelstein eingeritzt worden sind, ist zweifellos; ob der Schreiber aber dies rein zufällig oder mit einer bestimmten Absicht getan habe, darüber hat in der Sitzung unseres Historischen Vereins (Winter 1901) bei der auf meinen Vortrag folgenden Besprechung niemand eine bestimmte Ansicht laut werden lassen. Wenn man also nicht eine rein zwecklose Spielerei eines Unberufenen annehmen will, so dürfte wohl die von mir gegebene Vermutung, daß wir in diesem Spruch einen Bausegen vor uns haben, eine annehmbare Erklärung dieses sonderbaren Tatbestandes enthalten. Ich lege dabei, wie ich ausdrücklich betone, kein Gewicht darauf, ob die Erbauer sich bei der Einfügung dieses Spruches mehr von ihrer abergläubischen Lebensanschauung leiten ließen (noch 1019 verkaufte die vom Brandenburger Schöppenstuhl verurteilte Tangermünderin Grete Minde als LandstreicherinAllraun­männchen vgl. Lud. ParisiusBilder ans der Altmark, Seite 74), oder ob sich hierin eine von wahrer Religiosität und unerschütterlichem Gottvertrauen zeugende Gesinnung kund tut, die unseren Vorfahren Ehre macht. Als ich Herrn Geheimrat Friedei bei seinem Besuche unserer Stadt am 11. Oktober 1908 im Steintorturm die Inschrift zeigte und wir den Zweck derselben besprachen, führte er als Beispiel die Tatsache an, daß sich in katholischen Gegenden oft die Worte Ave Maria so vorfinden, derselbe bemerkte auch, daß beim Abbruch der Fundamente der nach Babelsberg versetzten berlinischen Gerichtslaube eiii Mauerstein mit denselben eingeritzten Worten aus dem 13. Jahr­hundert ausgegraben worden sei. Dieser Stein wild unter B. X* 0 im Märkischen Museum verwahrt, 28 cm lang, 15 cm breit, 10 cm hoch« Beschrieben bei Buchholz: Verz. der im M. Prov.-Museum befindlichen Altertümer. Beilin 1880. S. 20.

Nun haben wir aber über der Betrachtung des Zusammenhanges zwischen den Klassen I bis II und III ganz den wichtigen Unterschied vergessen, der zwischen ihnen obwaltet; dieser Unterschied ist sogar zweifacher Art. Denn 1) ist die Steintorinschrift nicht (wiel,i und 1, 2 ) von einem geschickten Bauhandwerker in eine Backsteintafel eingemeißelt oder (wie II, 13) von einem Tüncher auf die Wand gemalt, sondern die Buchstaben sind von dem Ziegelstreicher vor dem Brand in den noch feuchten Backstein mit Kursivschrift eingeschrieben. 2) Die Her-