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15. (6. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.
wohl ganze Sankt Nikolaus-Spiele mit Verkleidung und Wechselrede. Nikolaus brummte da immer erst ein wenig, etwa so: „Ach, heiliger Christ, wenn ich dir wollte die Wahrheit sagen, liätt’ ich über die Kinder viel zu klagen. Sie können nichts als Bücher zerreißen und die Blätter in alle Winkel schmeißen; solche Possen treiben sie! Ach, heiliger Christ, hätt’ ich Macht wie du, ich schlüge mit Ruten und Peitschen zu!“ Aber schließlich gibt sich Sankt Nikolaus immer zufrieden, und die Kleinen kommen mit dem Schrecken davon. Eins kündigt er in jedem Falle an: die Nähe des Weihnachtsfestes, und schon darum ist er der Kinderwelt ein hochwillkommener Gast.
Wir begrüßen es daher, daß unsere Abteilung des Vaterländischen Frauenvereins, in dessen Vorstand sich besonders die verehrte Gattin unseres zweiten Vorsitzenden, die Frau Geheime Justizrat Uhles durch Nächstenliebe und umsichtige Leitung seit Jahren hervortut, am 3. und 4. k. Mts. ein St. Nikolasfest im hiesigen fiskalischen Ausstellungspark an der Straße Alt-Moabit für Wohltätigkeitszwecke veranstalten wird. Auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Geheimrat Uhles habe ich mich hierzu über Dasjenige, w r as an St. Niklas-Gebräuchen sich noch in Berlin und der Mark Brandenburg erhalten habe, etwa wie nachstehend geäußert.
In dem ebengenannten Gebiet sind noch drei Vorstellungskreise erhalten.
In der Mark erscheint St. Niklas am 6. Dezember mit dem Christkindlein und seinem getreuen Diener Ruprecht in den Häusern einen Sack auf dem Rücken, aus dem wohl die (ausgestopften) Beinchen eines unartigen Kindes, das er dorthin eingesteckt, hervorsehen. Er fordert die Kinder zum Beten auf; wenn sie ihr Weihnachtslied gut aufsagen und von den Eltern belobt werden, so beschenkt er sie mit Pfefferkuchen, Äpfeln, Nüssen u. dgl., anderenfalls droht er ihnen mit seiner Rute, versetzt ihnen auch wohl Schläge damit, schließlich verzeiht und schenkt er auch hier.
In Berlin und Berlins städtischen Vororten ist daraus kurzer Hand etwa vom 6. ab bis kurz vor dem Christfest der allein auftretende vermummte grimmige Weihnachtsmann geworden, der im übrigen genau wie St. Nikolas auftritt; die Großstadt bringt es mit, daß es viele Weihnachtsmänner gibt. Auch bei uns glauben die Kinder, daß die unartigen unter ihnen in den Sack des Weihnachtsmannes gesteckt würden, so sah ich vor einigen Jahren abends in einer Straße um die Weihnachtszeit einen unfreiwillig wie ein Weihnachtsmann aussehenden alten Kerl, der einen Sack über den Rücken trug, worin sich deutlich etwas bewegte. Wahrscheinlich waren es lebendige Gänse. Gerade diese unheimlichen Bewegungen erregten bei mehreren der doch sonst nicht auf