Heft 
(1904) 13
Seite
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15. (5. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.

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Die Tante Voß, wie der Berliner sein Leibblatt nennt, hat das große Glück gehabt, daß sich ganz hervorragende Geister in ihren Dienst stellten: Männer wie Gotthold Ephraim Lessing, Willibald Alexis, Theodor Fontane. Zu ihnen gesellte sich eine Reihe kleinerer, aber doch auch be­deutender Persönlichkeiten, wie Karl Philipp Moritz, Fr. Wilhelm Gubitz, Ludwig Rellstab u. a. Die Geschichte einer Zeitung zu schreiben, die sich solcher Mitarbeiter rühmen kann, war eine schöne Aufgabe. Sie war freilich auch ebenso schwer wie schön und erforderte einen Mann von vielen Graden. Den hat sie in dem Verfasser gefunden, den seine Doppelnatur als Geschichtsforscher und Literarhistoriker zu dem Werke besonders geeignet erschienen ließ. Er hat viele Archive benutzt, um für den stattlichen Bau, den er aufzuführen hatte, ein festes Fundament zu gründen. Die große Menge der gelehrten Anmerkungen (es sind 292!) zeigt, welche Riesenliteratur er bewältigt hat. Grade in ihnen steckt ein höchst wertvolles Material, das der Berliner Forschung nocli sehr nützlich werden wird. Besonders lagerte über der Vorgeschichte und den ersten Anfängen der Zeitung ein dichtes Dunkel, das ganz zu lichten freilich auch Dr. Buchholtz trotz seinen eingehenden Studien noch nicht gelungen ist. So ist es durchaus zweifelhaft, ob wirklich schon im Jahre 1704 die Vossische Zeitung erschien. Sicher ist nur, daß am 29. Oktober dieses Jahres Johann Michael Rüdiger das Privileg zur Begründung einer Zeitung erhielt. Vorhanden ist jedenfalls keine einzige Nummer aus dieser Zeit. Auch muß diesesDiarium spätestens 1706 wieder eingegangen sein, da ein in diesem Jahr erlassenes Dekret des Ministers von Printz alle Zei­tungen in Berlin außer den von Johann Lorentz herausgegebenen verbot. Erst von 1721 an erschien in ununterbrochener, bis heute fortdauernder Folge dieBerlinische Privilegierte Zeitung und zwarim Ver­lage des Buchhändlers Johann Andreas Rüdiger, der auf der neuen Stechbahn wohnte. Von Christian Friedrich Voß, der diesem sei­nem Sch wiegervater im Besitze der Buchhandlung folgte, hieß sie die Vossische.

Den überreichen Stoff legte sich der Verfasser so zurecht, daß er ihn in zwei HauptteileDie Vossische Zeitung und ihre Vorgeschichte undDie Rüdigerschen und Vossischen Buchhandlungen gliederte, denen er einen Anhang (ZurGeschichte der Familien Rüdiger und Voß, Gesuche und Privilegien,Aus den Inseraten 1665 1813 usw.) hiu- zufügte. Innerhalb dieser Teile bietet er größere Kapitel,wie 1617 1740, 1740 1786, 1786 1840 usw., die wieder in kleinere Abschnitte zerfallen wie:Die ältesten Berliner Zeitungen, Joh. Michael Rüdiger und sein Zeituugsprivileg von 1704,Der junge König (Friedrich II), Gotthold Ephraim Lessing,Gubitz und Rellstab u. ä.

Ein ungeheures Material zur Geschichte Berlins ist in dem Werk aufgespeichert. Uber eine große Anzahl bemerkenswerter Persönlich­keiten wird berichtet. Episoden wie das viermalige Erscheinen Dr.

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