Heft 
(1904) 13
Seite
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17. (6. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres. 405

ich gestehen, (laß ich in mancher Hinsicht angenehm überrascht worden bin.

Zu den erwähnten Schwierigkeiten tritt hinzu, dal,! so leicht die Umwandlung einer Novelle in einen Operntext sein mag, so schwierig dies bei einem Roman ist. Willibald Alexis Roman spinnt sich mit epischer Breite durch drei Bände und umfaßt die Jahre von 14421448, ja am Schluß, allerdings mit einem Sprung von 22 Jahren, noch 1470, also zusammen 28 Jahre. Wie Sie aus der Ihnen vorliegenden Dichtung ersehen wollen, hat Leoncavallo den gewaltigen Stoff auf 1442 das Jahr der Erhebung und der Demütigung Berlins geschickt zusammengedrängt. Der Konflikt der Bürger und ihres Bürgermeisters zwischen der Wahrung der erworbenen nahezu republikanischen Rechte Berlins und der Rechte des Landesherrn ist richtig und die Rolandbildsänle dabei als Symbol der Bürgerrechte erfaßt. Der südlichen Temperamentsheftigkeit ist es wohl zuzuschreiben, wenn die beiden eifersüchtigen Patrizier­töchter Elsbeth Rathenow und Eva Scham wie rasende Mänaden gegen­einander anspringen und Herr Droesc-her in der Übersetzung Evavor Wut heulen läßt.

In den scheinbar versöhnenden Abschluß des Ganzen fällt, auf das unangenehmste berührend, der Tod Henning Möllers. Mit nichts ist dieser Ausgang motiviert. Der blinde Zufall hat ihn verursacht; der­gleichen kommt im Leben ja vor, gehört aber nicht auf die Bühne. Der Tod wäre nur gerechtfertigt, wenn ein tragischer Konflikt ihn geboten erscheinen ließe. Aber daran gebricht es vollständig, es ist die öffent­liche Meinung, wie ich glaube darin einig, diese Art des Untergangs eines der Haupthelden des Stückes zu verurteilen: es ist unverständlich, weshalb hier gerade der Komponist von Alexis abgewichen ist.

Die Übersetzung erscheint mir im ganzen recht wenig gelungen, Herr Droescher hat es nicht verstanden, das sprachliche Milieu und Kolorit der Zeit zu erfassen, wie es R. Wagner so ausgezeichnet ge­lungen ist. Es ist der banale Operntext-Deutsch, zuweilen sinkt es gerade zu herab zum Deutsch der Textbücher Offenbachscher Operetten, vgl. z. B. die Ballade S. 51 mit dem trivialen SchlußIch bin der König der Ballade. Warum aus dem Raschmacher Henning Mollner bei Alexis ein Tuchwirkersohn Henning Möller wird, erscheint unverständlich.

Gibt man in der äußeren Austattung jetzt mehr wie jemals auf die historische Richtigkeit der Kulissen, der Anzüge, der Waffen, so muß man doch vor allem auf das historisch Richtige des Sprachlichen Sorg­falt verwenden. Herr Droescher sollte wirklich seine Übersetzung durch einen Sprachkundigen überarbeiten und dem Milieu besser anpassen lassen. Wenn Leoncavallo als Ausländer nachgesehen werden kann, daß er vom steinernen Schwerte des Rolands spricht, so müßte doch Herr Dr. wissen, daß die Rolande keine steinernen Schwerteruner-