Heft 
(1904) 13
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Aus den Jugendtagen der Kohle.

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gewissen Schwankungen das Klima kühler werden. Pflanzen, die bis nach Grönland hinauf vorkamen, ziehen sich mehr und mehr nach Süden zurück, eine Erscheinung, die in der Vereisung der Diluvialzeit ihren Höhepunkt erreicht und seitdem bis auf den heutigen Tag einer lang­samen Erwärmung Platz gemacht hat.

Die beiden Kohlen- und Eisperioden, die durch das jedesmalige Voraufgehen einer Zeit starker Gebirgsbildung noch eine besondere Stellung in der Geschichte der Erde einnehmen, erscheinen uns danacli als zwei ungeheure Zeiträume allgemein kälteren Klimas, getrennt durch einen durchschnittlich wärmeren Zeitraum. Wie die Wärme des Tages mit der Kühle der Nacht, wie die Hitze des Sommers mit dem Frost des Winters immer im gleichen Kreislauf wechselt, so ahnen wir eine unermeßlich langsam, aber vielleicht ebenso regelmäßig vor sich gehende Schwankung in der Wärme unserer Erdoberfläche, eine Schwankung, deren Periode nach Jahrmillionen zählt. Ist die Vermutung richtig? Noch genügen die Tatsachen für uns vielleicht nicht, um das unbedingt bejahen zu dürfen, und doch erscheint es unglaubwürdig, daß ein solcher Complex so allgemeiner Erssheinungen, wie Gebirgsbildung, Moorent­wicklung und Eiszeit, zweimal in gleicher Weise wiederkehren sollte, wenn in dieser Wiederkehr nicht ein bestimmtes Gesetz läge, und so müssen wir nach unserer heutigen Erkenntnis erwarten, daß auch in ferner Zukunft auf eine jetzt beginnende wärmere Zeitenflucht eine neue Eiszeit folgen wird.

Aber wir wollen von diesen Zeiten der Kohle und des Eises nicht scheiden, ohne der bahnbrechenden Fortschritte zu gedenken, die für die Lebewelt mit ihnen verbunden waren, wenn wir auch den ursächlichen Zusammenhang dieser Dinge nochnichtkennen. In der Steinkohlenzeit haben die ersten Wirbeltiere, soweit die Versteinerungen uns Kunde geben, das Wasserleben mit dem Leben auf dem Lande, in der Luft vertauscht. Welche Fülle neuer Entwicklungsmöglichkeiten sich ihnen damit bot, das beweisen uns alle die fabelhaften Lurch-, Reptilien- und anderen Tierformen, die uns im Mittelalter unserer Erdgeschichte überraschen und unter denen schon verhältnismäßig früh auch Säugetiere auftreten. Aber dieser Schritt, so bedeutungsvoll er für die Welt der Tiere war, verschwindet neben dem Ereignis, das die Braunkohlenzeit für uns so ungemein wichtig macht. Wie mit einem Schlage setzt eine überraschend üppige Entwicklung der höheren Säugetiere ein. Noch ehe die Schatten der Eiszeit über die Erde dahiDgehen, entsproßt dieser wunderbaren Reihe stetig sich überbietender Entwicklungsstufen das Wesen, das, durch Sprache und Werkzeug und die Kunst, sie zu gebrauchen, sich Schritt für Schritt die Überlegenheit über das Tier erkämpft, das sich schließlich, wie nie ein anderes Geschöpf vor ihm, den Erdkreis unter­wirft der Mensch. So turmhoch erhebt er sich über seine Vorfahren