Heft 
(1904) 13
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4(18 18. (7. ordentliche) Versammlung des XIII. Vereinsjahres.

Libretto eineAida geworden. Singt sich wohl besser.Mafalda, der Name einer der Töchter des jungen italienischen Königspaares, klingt ähnlich.

XIV. Menschliche Gerippe sind in letzter Zeit mehrere in der Jungferuhaide, namentlich unweit des groben Plötzensees ausgegraben worden. In den Zeitungen sprach man dabei als von Opfern schauer­licher unentdeckter Verbrechen. Auf Wunsch habe ich mich als alter und langjähriger Untersuchungsrichter in der näheren und weiteren Um­gegend von Berlin darüber auf Grund meiner vielfachen Erfahrungen hierüber verneinend äübern müssen. Der Plötzensee, früher der Grobe Plötzensee genannt im Gegensatz zu dem verschütteten Kleinen Ilötzensee über dem der Eckernförder Platz und die Pumpstation des IX. Kadialsystems liegt, ist von jeher von Selbstmördern gern auf­gesucht, man kann sagen bevorzugt worden. Schon Willibald Alexis in seinemRoland schildert den Groben Plötzensee als ein tückisches, verrufenes und gefährliches Wasser, in welchem der Nix die Badenden auf den Grund zieht. Das sind wohl mehr die ellenlangen Blattstiele der gelben und weißen Seerose, die deshalb im Volke als Totenbluuien gelten und in der Tat Schwimmern gefährlich werden können. Auch hat der Plötzensee an mehreren Stellen kalten Qucllenzuflub, den manche empfindliche Naturen beim Baden nicht vertragen. Daher kommt die notorisch grobe Anzahl von Todesfällen durch Ertrinken im Plötzensee. Ehe nun die Allgemeine Preußische Kriminalordnung im Jahre 1805 er­schien, verfuhr man mit dergleichen Wasserleichen sehr summarisch. Die Dorfgerichte (d. h. Schulze und Schöppen), in Forsten der zuständige Forstbeamte, erschienen, und wenn an der Leiche bei oberflächlicher Besichtigung nichts Verdächtiges wahrgenommen ward, so wurde die Leiche an oder nahe der Fundstelle ohne weiteres, selbstverständlich ohne Sarg, eingegraben. Daher die nicht seltenen Funde menschlicher Gerippe in der Nähe der Ufer der Ilavel, der Dahme und der Spree. Später mußte das ordentliche Gericht (Kreisgericht, Kreisgerichts-Kom- mission) zugezogen und der Staatsanwaltschaft Kenntnis gegeben werden. Nur auf deren Antrag wurde eine gerichtsärztliche Sektion veranlaßt. Dies geschah sehr selten, und wenn die Leichen nicht von Angehörigen reklamiert wurden, erfolgte die Bestattung nach wie vor an Ort und Stelle. Sehr spät haben sich, wegen der entstehenden Kosten, die Ge­meinden entschlossen, entweder die unbekannten Toten auf ihren Gottes­äckern zu bestatten oder sogar, wie cs auch in rühmlicher Weise der Forstfiskus im Grunewald getan, einen eigenen Friedhof für die unbe­kannten Leichen, gemischt mit agnoszierten Selbstmördern, anzulegen. Bekannt ist von Sylt her der ßegräbnisplatz, den die Gemeinde Wester­land für die von der Nordsee angetriebenen Leichen gestiftet und mit der sinnigen Inschrift geschmückt hat:lleimatstätte für Heimatlose.