Heft 
(1912) 20
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21. (7. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.

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Sachverhalt dürfte weite Kreise interessieren. Im Botanischen Garten befindet sich ein Strauch, der Giftsumach, Giftbaum oder Giftesche ge­nannt. Der Strauch wächst auf Sachalin, in Japan und Nordamerika, wird bei uns als Zierstrauch angebaut und findet sich zum Teil ver­wildert. Bei manchen Personen erzeugt die Berührung, wobei feine Härchen, die auf Milchkanälen stehen, in die Haut eindringen, heftige Schmerzen, Schwellung und Entzündung des Körpers und eine Störung der Nierentätigkeit. Andere wiederum erleiden keinerlei Schaden. Ein hiesiger angesehener Kaufmann hatte nun das Unglück, vor zwei Jahren ahnungslos an dem Giftsumach vorbeizugehen und sich dann in seiner unmittelbaren Umgebung aufzuhalten. Die Folge war eine bösartige, höchst qualvolle und langwierige Hautkrankheit, die zunächst aller Mittel zu spotten schien. Nachdem endlich die Ursache des Leidens festgestellt war, glückte auch das richtige Heilverfahren, so daß all­mählich eine Abflauung der peinigenden Schmerztätigkeit eintrat. Der Fiskus wies jede Entschädigungspflicht zurück, während von dem Kläger behauptet wurde, daß die notwendige Sorgfalt seitens des Botanischen Gartens vernachlässigt worden sei, weil keinerlei Warnungstafeln auf­gestellt waren und alle Hinweise auf die Gefährlichkeit der Pflanze fehlten. Es wurden seitens des Beklagten ein umfangreicher Beweis dafür angetreten, daß in botanischen Gärten eine derartige Erscheinung überhaupt noch nicht beobachtet ist. Zu einem ganz anderen Urteil kamen die Pharmakologen. Entscheidend für das Gericht war das Gut­achten einer Berliner Autorität der Arzneimittellehre. Die Gefährlich­keit des Suinach für besonders empfindliche Menschen wurde in der umfassenden Denkschrift bejaht, wonach dem Kläger zunächst das Honorar für den Arzt und die Kurkosten zugesprochen wurden. Vor­aussichtlich wird der Fiskus den Rechtsstreit weiter treiben und Be­rufung einlegen.

Nachträglicher Zusatz von mir. Einer Aufforderung ent­sprechend habe ich mich zur Sache imBerliner Lokalanzeiger vom 29. Januar 1911 wie folgt geäußert. Vom Giftstrauch Sumach.

Ein Korrespondent unseres Blattes teilt uns in Anlehnung an die kürzlich gebrachte Mitteilung über eine durch einen Giftstrauch im Dahlemer Botanischen Garten verursachte Vergiftung folgendes aus der Erinnerung mit:

Vor einigen Jahren traf ich den mir befreundeten Dr. Karl Bolle, den bekannten Dendrologen, auf seiner von der Stadt Berlin erworbenen, zurzeit aber noch umstrittenen Insel Scharfenberg im Tegeler See, in trauriger Verfassung an. Die Hände und Arme waren schmerzhaft ge­rötet, inbesondere aber war der Kopf geschwollen und fast bis zur Un­kenntlichkeit entstellt. Freund Bolle hatte in der Burgsdorfschen Plan­tage bei Tegel Pflänzlinge von dem seit über 100 Jahren verwilderten