Heft 
(1912) 20
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21. (7. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.

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XXVIII. Über die Orellysche Kreponfabrik in Berlin unter Kurfürst Friedrich TU. Aus dem Sitzungsbericht des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg vom 14. Dezember 1910.

Dr. Rachel sprach über eine größere Gründung aus den ersten Zeiten der brandenburgisch-preußischen Manufakturpolitik, die Orellysche Kreponfabrik. Eberhard Danckelmann selbst hat, um einem längst empfundenen Mangel abzuhelfen und die Verarbeitung der damals viel getragenen leichten Kammwoll- und llalbseideuzeuge, Krepp, Flohr, Etamine u. dgl. im Lande heimisch zu machen, den Züricher Fabrikanten Joseph Orelly zur Übersiedlung nach Berlin und zur Anrichtung eines großen Manufakturhauses in der Ileiliggeiststraße bewogen. Der Kurfürst stellte die dazu nötigen Gebäude, ließ eine Färberei errichten, ersetzte die Reisekosten und gab dem Fabrikanten noch mehrere Versprechungen; dieser verpflichtete sich, bis zu 8000 Arbeiter im Lande zu beschäftigen. Das Unternehmen bestand jedoch nur von 1694 bis Anfang 1699; es war von Beginn au zu groß geplant, so daß die zum Betriebe verfügbaren Gelder lediglich Orellys Barmittel, da er einen Staatszuschuß nicht erhalten kounte erschöpft waren, bevor der rechte Absatz da war. Zudem setzte jene Verpflichtung, Tausende von Menschen im Spinnen und Weben nach Schweizer Art auszubilden, den Unternehmer in zu großen Nachteil gegen Konkurrenten; die angelernten Arbeiter aber wurden ihm in Mengen abgelockt. So hat das Unternehmen zwar für die Landeskultur Gutes gewirkt, indem an 2000 Menschen in Arbeit gesetzt und zu einer überdies verbesserten Wollverarbeitung befähigt wurden, als Eigenbetrieb konnte es sich aber nicht halten. Nach Danckel- mans Sturz erlosch das Interesse für die Gründung, der verschuldete Fabrikant konnte keinen Zuschuß zur Fortführung erlangen uud wurde zum Bankerott genötigt. Bei diesem gingen der unglückliche Unternehmer und sein Hauptgläubiger, die kurmärkische Landschaft, völlig leer aus; die über die Hinterlassenschaft gesetzten kurfürstlichen Kommissare haben diese teils verschleudert, teils für den Kurfürsten eingezogen. Der mit zahlreicher Familie ins Elend geratene Orelly hat mit größter Ausdauer seine Rechte geltend gemacht, erhielt aber später nur eine Gnadenpension; Friedrich Wilhelm 1. machte einen Teil des ihm zugefügten Unrechts gut, indem er ihm sein ehemaliges Besitztum zu Friedrichsfelde zurück­geben ließ.

XXIX. Kritische B emerkungen zur Siedelungskunde des deutschen Ostens, vornehmlich Brandenburgs. Von Albrecht Ernst. In Forschungen zur Brandenb. und Preuß. Geschichte XXIII. 2. Hälfte 1910.S. 133. Zu Curschmanns hier besprochener Arbeit über die deutschen Ortsnamen im östlichen Kolonisationsgebiet bietet diese sorgfältige, sehr inhaltreiche Abhandlung eine willkommene Er­gänzung und Kritik. Sie bezieht sich hauptsächlich auf die Übergangszeit

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