72 22. (15. ausserordentl.) Versammlung des XIX. Vereinsjalires.
Stellungen alter und ältester Zeit haften. Das gilt vornehmlich von der Brüderstraße, bei deren Erwähnung uns Erinnerungen an geistliche Orden, unterirdische Gänge, an den Palast des einst allmächtigen Kanzlers von Schwarzenberg, an die Bauten und das Wohnhaus von Audreas Schlüter u. dgl. mehr einfallen.
Insbesondere bietet die der Spree zunächst belegene Seite der Brüderstraße der Forschung und der Romantik ungewöhnlich reichen Stoff. Da erstreckte sich hinter Nr. 11 bis zur Köllnischen Stadtmauer, und nach deren Abbruch bis zur Friedrichsgracht, der schöne Garten des Hofpredigers Sagittarius, berühmt durch seine Gurken- und Spargelbeete, wie auch holländischen Sauerampfer. Alljährlich kam Kurfürst Friedrich Wilhelm hier herüber, stieg mit der Leiter auf einen uralten Morelienbaum, um von ihm eigenhändig die prächtigen dunkelbraunen Kirschen zu pflücken. Rechts davon liegt das Haus Nr. 10, mit schauerlichen Erinnerungen. Es war nach den Anschauungen der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein palastartiger Bau, dem Minister von Happe gehörig. Der gestrenge König Friedrich Wilhelm 1. hatte ein Edikt wegen der vielen Hausdiebstälile dahin erlassen, daß die Malefikanten vor dem Hause, worin sie gesündigt, aufgehängt werden sollten. Nun fiel der Verdacht, einen silbernen Löffel entwendet zu haben, auf ein Dienstmädchen des Kabinettsministers. Trotz aller Unschuldsbeteuerungen wurde die Unglückliche an einem vor dem Hause schnell errichteten Galgen gehängt. Gleich darauf aber ward ermittelt, daß eine zahme und dreiste Hausziege den Löffel verschleppt hatte. Also berichtet die Sage. Die Stelle, wo der Galgen im Bürgersteig stand, wird noch heute gezeigt. Jedenfalls steht fest, daß Happe das ihm verleidete Haus sofort zum Verkauf stellte. Der Magistrat erwarb es und hat in dem ansehnlichen, altertümlichen Bau die Propstei von Alt-Kölln eingerichtet.
Von Nr. 13 sagt der verstorbene Stadtarchivar Fidicin, daß es im 17. Jahrhundert der Kirche zur Heiligen Dreifaltigeit, d. i. dem Dom, gehörte, früher dem Kloster der schwarzen Dominikaner, dessen erster Konvent es gewesen sein möge, bevor dieser Orden ein Kloster hatte. Gustav Parthey in seinen hochgeschätzten, von mir i. J. 1907, Verlag von Ernst Frensdorff, neu herausgegebenen „Jugenderinnerungen“ schließt sich dem an, und es hatte sich die Vorstellung von einem unterirdischen Gang, der unter der Spree hindurchführen sollte, von Gewölben für Verstecke in unruhigen Zeiten u. dgl. neuerlich erhalten. Hiervon ist nun bei den Untersuchungen, die ich 1891 mit Unterstützung des Museums- kustos Buchholz und des Geheimen Baurats Borrinann anstellte, nichts Sicheres gefunden worden. Der unterirdische Gang entpuppte sich als eine alte Entwässerungsanlage nach dem Fluß, und, was die Hauptsache, diese versteckten Anlagen sowie die Gewölbe wiesen keine Steine im mittelalterlichen Klosterformat, sondern nur die schmalen, „pfeffer-