Heft 
(1912) 20
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23. (3. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.

ristischer Schriftsteller wohl bekauut. Jacobsen, in Danzig geboren, war, wie Stinde, ursprünglich Apotheker, ehe er sich der Literatur widmete. Nachdem er in Berlin seine Prüfungen bestanden, gründete er hier ein chemisches Laboratorium, aus dem manche beachtenswerte Erfindung her­vorgegangen ist. So stammt von.ihm die bekannte Erbswursthülle, die sich im Deutsch-Französischen Kriege so gut bewährte, und das Tliiol, das Bismarck, der an Ischias litt, so oft Linderung verschaffte. In den siebziger Jahren wandte er sich immer mehr der Schriftstellerei zu; er redigierte zunächst Fachorgane und schrieb dann eine Reihe lustiger Bücher, zum Teil mit beruflichen Anklängen. Eine innige Freundschaft verband ihn mit Heinrich Seidel, der ihm als Dr. Havelmüller inLebe­recht Hühnchen ein bleibendes Denkmal gesetzt hat. Auch mit Scheibler und unserem alten Johannes Trojan hat er zeitlebens treu zusammen­gestanden. Die Beisetzung Jacobsens fand am Donnerstag, 16. Februar vom Trauerbause Englische Straße 5 in Charlottenburg nach dem alten Johanniskirchhof in der Seestraße statt.

InLeberecht Hühnchen (Gesamtausgabe, Stuttgart 1899, erster Band S. 138 heißt es:

Als wir nach einer lustigen Fahrt gegen Mittag in Tegel anlangten, hielt unser Wagen an der Straße, die von demSeeschlößchen ge­nannten Wirtshause weiter ins Dorf führt, zum geringsten Teile aber erst mit Häusern bebaut ist.*) Dort erhob sich, gleichlaufend mit dem Wege in einiger Entfernung ein Bretterzaun, den an seinem Ende das Dach einer kleinen Bretterbude nur um ein Geringes überragte. An dieser Stelle sah man in den Zaun ein mit weißen Gardinen verziertes Fenste'rchen eingeschnitten; die übrigen drei Seiten des Gartens waren einfach durch gespannte Drähte von der profanen Außenwelt abge­grenzt. Herr Doktor Havelmüller stand an der Eingangstür, wo er uns erwartet hatte, und kam nun an den Wagen, um den Damen beim Aus­steigen behilflich zu sein. Er war ein mittelgroßer, etwas beleibter Herr, in Wollenkleidung und trug einen breiten schwarzen Filzhut. Sein Haupt­haar, sein Schnurr- und sein etwas breiter Knebelbart waren schon er­graut und aus dem bräunlich getönten Gesichte schauten durch eine goldene Brille zwei gutmütige, aber etwas melancholische Augen. Eine Eigentümlichkeit von Doktor Havelmüller war, daß er fast nie lachte, sondern auch die größten Tollheiten und lustigsten Sachen mit einem wehmütigen Tone und sorgenvollem Gesichtsausdruck vorbrachte, wo* die Wirkung solcher Späße bedeutend erhöht wurde.

ln launiger Weise wird nun das Gärtchen mit seinen altmodischen Blumen und das kleine Bretterhäuschen geschildert, worin Havelmüller

*) D. h. damals 1880, jetzt ist dort viel zu viel, leider teilweise in kläglichem berlinischem Mietskasernenstil gebaut worden.