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23. (8. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.
gar nichts zu hören bekommt.“ Herr Friedei bestätigt dies mit dem Bemerken, daß die Seelischhändler oft genug sagten, wenn nach anderen billigen Fischen, nicht geiade nach Kabliau, Schellfisch und Dorsch, gefragt werde: „Die haben wir nicht!“ — „Warum nicht?“ — „Die Berliner Hausfrauen kennen diese etwas ungewöhnlichere Namen tragenden Seelische nicht und fragen deshalb nicht darnach, folgenweise können wir Händler sie nicht auf Lager halten.“
Das ist sehr traurig und unerwünscht. Gerade der heutige Abend zeigt wieder, in wie mannigfacher Weise die Seelische gekocht und garniert werden können. Die Berliner bilden sich fast alle ein, zu Seefisch könne man nur Kartoffeln nehmen, und deshalb würde man von Seelischgerichten nicht so recht satt. Unsere heutige Abendtafel zeigt aber, daß man bei entsprechender sachverständiger Zubereitung dazu jedes Gemüse, Kohlarten, Erbsen, Linsen, Bohnen u. dergl. mehr in bekömmlicher und wohlschmeckender Weise verzehren kann.
Um so mehr sei es zu begrüßen, daß auch die Nachbargemeinden Berlins etwas für den Seelischverbrauch täten. Spandau, das in seinem Oberbürgermeister, dem auch von der Brandenburgs hochgeschätzten Herrn Költze, einen ebenso umsichtigen wie unternehmenden Verwaltungschef besitzt, hat unlängst eine städtische Seefischhalle ins Leben gerufen. Sie erfreut sich einer ungeahnten Frequenz. Täglich verkehren bisher in ihr 1400 bis 1500 Käufer. Die Kundschaft setzt sich aus allen Bevölkerungsschichten zusammen, so daß man hier von einer volkstümlichen Einrichtung im wahren Sinne des Wortes sprechen kann.
Ähnliches berichtet der B. L.-A. unter dem 2. d. M. aus unserem Nachbarort Deutsch-Wilmersdorf.
„Die erste städtische Seefischhalle Groß-Berlins ist heute früh in Wilmersdorf, Berliner Str. 40, unter starkem Andrang des Publikums eröffnet worden. Wie viele andere Gemeinden hatte sich auch Wilmersdorf an das Laudwirtschaftsministerium gewandt mit dem Ersuchen, regierungsseitig etwas gegen die herrschende Fleischteuerung zu tun Als der ablehnende Bescheid einlief, hofften die städtischen Körperschaften, für die mittlere und kleinere Bevölkerung vielleicht einen Ausweg in dem Versuch zu finden, den Seefisch mehr als bisher als Volksnahrungsmittel in die Erscheinung treten zu lassen, in der Erkenntnis nämlich, daß der Fisch in dieser Beziehung uuterschätzt wird. Der erste Schritt zu diesem Zwecke war, daß die Stadtverwaltung durch den Vaterländischen Frauenverein, der in Wilmersdorf eine segensreiche soziale Tätigkeit entfaltet, Seefischkochkurse einrichten ließ. Die Beteiligung an diesen Kursen, die in der mustergültigen Schulküche der Gemeiude- schule 61 abgehalten wurden, war von Anfang an so groß, daß jedes Mal lange vor dem Anmeldungsschluß die mögliche Teiluehmerzahl überschritten war. Unter der Leitung einer auf diesem Gebiet erlähreneu