Heft 
(1912) 20
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0. Voigt.

des preußischen Seehandels und mehrfacher Versuche, ueue Stützpunkte über See zu erwerben, wurden die Kolonien sich selbst überlassen; die Afrikanisch-Rrandenburgische Kompagnie ging ihrer Auflösung entgegen, und die Schiffe verkamen in den Hafen. König Friedrich Wilhelm ver­kaufte schließlich den gesamten Kolonialbesitz im Jahre 1717 für 7fOO Dukaten an die Holländisch-Westindische Kompagnie.

Das war das Eude der genialen Schöpfung Friedrich Wilhelms!

Was ist nun aus jener denkwürdigen Zeit geblieben?

Einmal als ethisches Moment die Erinnerung an sie und die Tradition, die dank der lebhaften Fürsorge Kaiser Wilhelms II. in unserer Marine gepflegt wird. Dann aber besitzen wir an realen Über­bleibseln eine Anzahl Reliquien, Baulichkeiten, Bilder oder sonstige Gegenstände aus dem Seewesen, die uns ein anschauliches Bild von dem Zustande des damaligen Flotten- und Kolonialwesens geben. Ich teile sie wie folgt ein:

1. Raules Berliner Besitzungen.

2. Darstellungen der kurbrandenburgischen Flotte.

3. Die Modellschiffe im Beiliner Hohenzollern-Museum.

4. Die kurbraudenburgische Flagge.

5. Alte Geschütze der Schiffe und Forts.

6. Die Forts an der Küste von Westafrika.

7. Schiffsdukaten und Denkmünzen.

l. Raules Berliner Besitzungen.

Ich habe schon vorher Benjamin Raules gedacht, des holländischen Reeders, der dem Fürsten vertragsmäßig bemannte Schiffe zur Verfügung stellte. Er ward die treibende Kraft in den maritimen Plänen seines hohen Gönners und leistete Bedeutendes. Zur Belebung von Handel und Wandel in dem verarmten Brandenburg wurden auf sein Betreiben holländische Kaufleute und Schiffsbanmeister*) Werk- und Seeleute nach Berlin und Königsberg berufen. Für seine hohen Verdienste ward Raule der Titel einesGeneraldirekteurs der Marine mitObristenrang ver­liehen. Sein Bruder Jacob erhielt den Rang eines Admirals in der Flotte.

Mit dem Ableben seines hohen Gönners gelang es Raules Feinden, ihn der Unredlichkeit zu verdächtigen und ihm den Prozeß zu machen.

Er hatte allerdings die Genugtuung, von allen Anschuldigungen ausdrücklich freigesprochen zu werden, starb aber zu Hamburg 1707, ein gebrochener Mann. Wahrlich ein trauriges Geschick, wenn wir be-

*' Das Grabmal eines dieser Baumeister, des späteren Hofbaumeisters und Restaurators der Marienkirche, Michael Mathias Smid, befindet sich in der Dorotheen- Kirche, wo es 1909 bei einem Besuch von derBrandenburgs besichtigt wurde. Vgl. Monatsblatt der Gesellschaft, Heft 2, 1910, 8. 51 fl., mit Abbildung des Grabmals.