Agathe Lasch.
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artlich gefärbten und daher von der entstehenden Schriftsprache auffallend abweichenden Formen aufgaben (s. S. 137). Beispiele dafür, daß man die meißnischen grobdialektischen Eigenheiten im 17. und 18. Jahrhundert verwarf, sind in den theoretischen Schriften norddeutscher Autoren in reicher Zahl zu finden.*)
Diesen ausgleichenden Bestrebungen, die wohl von den höheren Kreisen ausgehend allmählich auch in die Volkssprache drangen, ist es jedenfalls mit zuzuschreiben, wenn im Berlinischen nicht alle die Dialekteigenheiten zu finden sind, die das Obersächsiscbe im 16. Jahrhundert besaß, daß man also nicht wayn oder woyn, sayt oder soyt, sondern wagen, sagt (sacht) hier kennt. In diesem Zusammenhänge werden wir vielleicht noch einmal auf die oben berührten nt in „unter“ neben dem Leipziger geschriebenen „under“, gesprochenen „unger (unner?)“ zurückkommen dürfen (s. S. 133f.) und eine Erklärung der t von diesem Standpunkte aus wenigstens versuchen. Zunächst übernahm natürlich die Orthographie nd, wie die ersten hochdeutschen Berliner Schreiber dies zeigen, die Umgangssprache jedenfalls ng, was beiläufig ganz mit den niederdeutschen Verhältnissen in Berlin übereinstimmte, wo man aucli nd geschrieben, ng gesprochen hatte („Kinger“ Kinder). Natürlich machte sich gerade bei so auffallender Abweichung von der allgemeinen üblichen Aussprache des nd mit dentalem Laut in Berlin wie auch in den sächsischen Städten selbst das Bestreben nach Ausgleich besonders stark geltend und führte wohl schließlich zur Ersetzung des ng durch nd, „Kinder“, wie „under“, worauf dann vielleicht beträchtlich später und wohl unter Einfluß der Orthographie „under, unden, halden“ usw. zu „unter, unten, halten“ usw. wurden. Dieser Einfluß ist hier wohl möglich, (obwohl trotz schriftlichem „tun“ doch die Aussprache „dun“ blieb), weil „under“ selbst jung war, erst älteres „unger“ (unner?) verdrängt hatte und somit für diese Formen nicht die in mündlicher Tradition gefestigten
*) Vgl. z. B. im 17. Jhd. D. G. Morhof, Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel 1682, S. 480: „Der Meißner Außrede ist die zierlichste, aber sie haben auch einige sonderlichkeiten, die nicht nachzuahmen sein.“ Oder fttr das 18. Jahrhundert J. D. Michaelis, der in seiner Göttinger Rede sagt (1750): „Ilaec aliquantulum emendantur, cum veri ad Albini Visurgim Saxones Misnica dialecto in cathedris sacris aut in colloquiis utuntur; ut purior in liis terris quam in ipsa Misnia et limpidior fluat Misnica dialectus“, fol. 12. Ähnlich Vorrede fol. 8. Um auch eine hochdeutsche Stimme anzuführen, sei hier das oft zitierte Zeugnis des Pfälzers Scioppius im 17. Jhd. (Germania XI 321) erwähnt: „Misnenses enim optimis et probatissimis voca- bulis ac phrasibus utuntur, quamvis in pronunciandis diphthongis et consonantium nonnullis risuiu caeteris Germanis merito moveant. Verbi gratis cum dicunt Heebt pro Haupt, Zeeberer pro Zauberer, Jott pro Gott, Gar pro Jar. Jott jeb euch eiu jutes neues Gar. Vgl. ferner das Zeugnis des Leipzigers Hanmann bei Socin. S. 333.
Eine bessere Erklärung sehe ich nicht, obgleich mir diese auch noch nicht ganz befriedigend scheint.