Heft 
(1912) 20
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Agathe Lasch.

auch heute den Einwirkungen der Schriftsprache in ganz anderin Maße zugänglich, als irgend eine geschlossene Mundart.

Daß übrigens die Vorgänge in der Sprachentwickelung in anderen ursprünglich nd. Städten im wesentlichen die gleichen waren, zeigt ein Vergleich mit den Magdeburger Verhältnissen, die Löwe (Nd. Jb. 14,35 ff.) geschildert hat. Nur werden auf die später zum Hochdeutschen über­gegangenen norddeutschen Städte kaum immer die ferneren hochdeutschen sondern wohl mehr die ursprünglich niederdeutschen, jetzt hochdeutschen Städte (wie eben Berlin) eingewirkt haben, zugleich auch später bei immer mehr zunehmender Verbreitung von Druckschriften auch das geschriebene Woz-t stärker als wir dies wegen der Ausspracheverhältnisse in Berlin für diese Stadt annehmen konnten.*)

Wenn nun, obwohl die Bedingungen in einer Anzahl norddeutscher Städte ähnliche waren, gerade das Berlinische seinen besonderen Ruf hat, so liegt das zum Teil an der Vorzugsstellung Berlins, dann aber ist zu bemerken, erstens daß die Bewahrung und Fortentwickelung dieser Form des Hochdeutschen überhaupt gehemmt war in Städten, in denen die unteren Klassen niederdeutsch, die oberen Schriftsprache sprechen, wo also jene ursprünglichniederhochdeutsche Sprache höchstens in einem sehr kleinen Kreise, der zwischen den genannten Klassen steht, gesprochen wird, und zweitens, daß nicht zum wenigsten wohl der Mutterwitz des Berliners auch dem Gewand, in das er gekleidet war, und . das so gut für ihn geeignet schien, die Aufmerksamkeit zugewendet hat. Man hat es bald überschätzt als einen eigenen Dialekt, bald unter­schätzt als verdorbenes Deutsch, es ist keines von beiden, sondern es ist die obersächsische Form des Hochdeutschen 16. Jahrhundert, wie sie vom niederdeutschen Ohr aufgenommen, vom niederdeutschen Munde wiedergegeben werden konnte mit lexikalischen und syntaktischen Resten aus der Muttersprache, mit fremden Entlehnungen vermischt, teilweise gereinigt unter Angleichung an die Schriftsprache, ein Idiom, das mit dem immer stärker werdenden Zuzug fremder Bevölkerung, dem Seltner­werden deswaschechten Berliners, der immer trefflicheren Schulbildung mehr und mehr zurückgedrängt wird.

*) Wenn beispielsweise in Hamburg der Übergang vom Niederdeutschen zum Hochdeutschen mit dem stärkeren Vordringen der religiösen Druckschriften in Ver­bindung gebracht wird, so wird hier natürlich die Wirkung der Schriftsprache stärker sein als die der gesprochenen Sprache. Doch führt auch Brockes z. B. a. a. 0. den Reimab: napp an.