Heft 
(1912) 20
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Elisabeth Lemke.

Alles Stangenholz war einst eine freundliche, erfrischend wirkende Schonung. Die jungen Kiefern boten an sich und in der Gesamtheit einen reizvollen Anblick, bei gemeinsamem Charakter doch wieder Be­sonderheiten aufweisend. Farbe und Duft der Nadeln entzückten den Yorüberwandernden. Nach einer angemessenen Reihe von Jahren starben die unteren Zweige und Aeste naturgemäß ab. Immer kahler sah es fortan um den einzelnen eingeengten Baum aus. Der aber strebte unaufhaltsam weiter, nach oben, nach dem Licht. Das führte zu einem geraden Wuchs. Forst- und Zimmerleute hatten ihre Freude daran. Mochten doch die Kronen verkümmern! wenn nur das IIolz tadellos sich auswachsen konnte.

Ein bekannter, begeisterter Schilderer der Natur, Hermann Masius, schreibt (in seinem BucheNaturstudien, 6. Aufl) ordentlich wütend über die Kiefern, die er mit dem süddeutschen NamenFöhren bezeichnet.Sie herrschen [sagt er] in den unfruchtbaren Alluvien. Auf diesem Umstande mag großenteils die traurige Stimmung beruhen, welche die Föhrenwälder hervorrufen, wenngleich ein solcher Wald auch an sich immer einförmig und melancholisch bleibt. Hier singt kein Vogel, keine Quelle springt, selbst die Luft steht still und schwül, und jede Vegetation muß iu dem mit Nadeln übersäeten Sande ersterben. Nur das Haidekraut strickt unermüdlich sein dürres Büßergewand über das kraftlose Erdreich. Es ist gleichsam ein einziger großerWald­friedhof, zwischen dessen kahl aufragenden Säulen das Auge umsonst nach Leben sucht, bis es zuletzt müde auf der heißen Sandlinie des Pfades haftet, in dem schwarze Ameisenkarawanen hin und her ziehen und Zikaden schwirrend sich sonnen. Der Eindruck der Sterilität und der Verlassenheit überfällt in seiner ganzen Schwere den Sinn. Ganz anders erscheint dagegen die Föhre am Rande frischgrüner Wiesen oder im Gemisch mit lichtem Laubholz Da entsteht sogleich der wohl­tuende Kontrast, welcher auch die unansehnlichste Erscheinung zu heben vermag.

Ob mit Laubholz durchmischt oder ohne diese wünschenswerte Beigabe, die von Berlin bequem zu erreichendem Kiefernwälder be­deuten eine unschätzbare Wohltat für alle, die aus dem Dunst der Stadt hinausflüchten und sich im Walde ergehen möchten.

In der Brandenburgia-Sitzung am 30. März d. J. belehi'te uns Herr Hermann Kötschke in einem mit allgemeinem Beifall aufgenommenen Vorti'ag überDie Waldfrage in Groß-Berlin. Acht Tage später erließ ein aus etwa 500 Personen bestehendes Komitee einen Aufruf Schutz unsern Wäldern*):Der wertvollste Teil des deutschen National­vermögens, die Kraft des Volkes zu Arbeit und Wehr, ist durch die

*) Vossische Zeitung 163, 8. April 1910.