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24. (16.) außerordentl. Versammlung des XIX. Vereinsjahres
24. (16. ausserordentl.) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.
Donnerstag, den 23. Februar 1911. Besichtigung der St. Nicolai- Kirche unter gütiger Führung und Erklärung des Herrn Pastors Göhrke, Diakonus an der Kirche.
In dem stillen Winkel umbraust von dem Getriebe der Stadt steht das älteste Gotteshaus Berlins. Die Teilnehmer betraten es durch den nördlichen Eingang neben der Sakristei. Nachdem die Versammlung vor der Kanzel Platz genommen hatte, spielte Herr Musikdirektor Wiedermann als Einleitung längere Zeit die Orgel, und die feierlichen Töne durchbrausten das mächtige Kirchenschiff.
Danach bestieg Herr Pastor Göhrke die Kanzel und gab einen kurzen Überblick über die Geschichte des Gotteshauses. St. Nicolaus ist der Patron der Handelsleute, die sich gegenüber von Kölln auf dem nördlichen Ufer der Spree niedergelassen hatten, als mit der Kolonisation der Verkehr über die Spree ein lebhafterer wurde. Im Jahre 1245 wird der Probst Simon genannt, weshalb die Erbauung der Kirche wohl weiter zurückliegen muß. Sie unterstand dem Bischof von Brandenburg. Der ursprüngliche Bau war natürlich viel kleiner, es war eine schlichte Basilika, deren Turm mit einem Satteldach abschloß. Die Erweiterung schritt von West nach Ost fort, bis sie im Jahre 1379 fertig war. Im Jahre 1460 erfolgte eine abermalige Erneuerung und Erweiterung, indem die drei Kapellen angebaut wurden. Nach der Einführung der Reformation wurden die Altäre beseitigt und die Kapellen zur Erbbegräbnissen eingerichtet. Weil nun an die Stelle des Altardienstes die Predigt getreten war, wurden auf der Nord- und Südseite Emporen errichtet. Im Jahre 1878 fand die letzte Renovierung von Stüler und Blankenstein statt; der Turm erhielt seine Doppelspitze, die Chöre wurden entfernt, die Erbbegräbnisse geschlossen und die Bilder umgehängt. Später kamen noch Heizanlage und elektrisches Licht hinzu. Die Fenster laufen um die ganze Kirche herum und stellen Bilder aus der biblischen Geschichte dar. Sie sind z. Teil Geschenke des Magistrats, während die Fenster des Chorraumes von Kaiser Wilhelm I. geschenkt wurden. Die Kanzel ist eine Stiftung aus dem 17. Jahrhundert. Während des Vortrages zeigte der Kirchendiener, Herr Becker, den großen Abendmahlskelch herum, der ein Geschenk des Großen Kurfürsten ist und aus dem 13. Jahrhundert stammt. Ursprünglich war er aber ein Geschenk der Markgrafen Otto und Johann an ein märkisches Kloster, wahrscheinlich an das in Strausberg. Er besteht aus Silber, das ver-