26. (9. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.
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im allgemeinen, als ärgster Feind neben der Katze für die Vogelwelt zu betrachten ist. Man hat aber bisher dies Tier verschont, da das Publikum sich bei einem kürzlich vorgenommenen Fangversuch lebhaft darüber entrüstet hat, zumal viele Leute ständig Freude an diesem Tier haben und ihm bei ihrem täglichen Gange über den Platz Nüsse und andere Leckerbissen zuwerfen.
XVT Fräulein Ida Hahn, Mitglied des Vereins für Volkskunde, teilt uns über die Verwendung der Brennessel als Gemüse Folgendes mit:
Die Nessel zu Gründonnerstag. Wer in Schweden nicht nur einmal zur Sommerszeit eine schöne Reise machte, sondern wer dort ein wenig Bescheid mit den Volkssitten weiß, dem ist es um die Osterzeit wohl aufgefallen, daß dort nicht wie bei uns Kohl oder Spinat zum Gründonnerstag gegessen wird, sondern daß man nach Gewohnheit an diesem Festtage die grüne Nessel sammelt, zubereitet und ißt. Daß dieser Tag der stillen Woche doch wohl auch vor der Einführung des Christentums eine besondere Stellung einnahm, scheint die besondere Sitte, unbedingt etwas Grünes zu essen, anzudeuten, ja, bei uns Norddeutschen heißt der Tag ja sogar nach dieser Sitte der grüne Donnerstag.
Daß aber auch bei uns in Deutschland das jetzt so verachtete Unkraut, die Nessel, eine größere Rolle spielte und einst nicht nur das Gänsefutter bildete, 'davon haben wir noch Spuren genug in unserem Vaterlande. Wir selbst haben einmal im eigenen Heim die Erfahrung gemacht, daß auch in Deutschland dieses Gründonnerstagessen noch bekannt ist. Ein Mädchen aus der Weichselniederung weigerte sich, die von uns, nach schwedischer Sitte gesammelten Nesseln zu kochen, weil im Grunewald wohl die Donnernessel zu finden, nicht aber auch die Kirchhofsnessel aufzutreiben sei und beide Pflanzen zusammen erst wären im Weichselwerder der richtige „Gründonnerstagskohl“. Und wie wir mitten aus der Praxis heraus Kunde erhielten, daß dies Gericht noch heute wenigstens dem Namen nach so weit gen Osten in seinem Recht bekanntest, so weiß auch Karl Bartsch aus Mecklenburg (Sagen aus Mecklenburg II S. 257, Wien 1880 8°) davon zu erzählen. Nur nennt er die Kirchhofsnessel.Hiddenettel und was er 1880 noch kannte, weiß D. Franck (Altes und Neues Mecklenburg, Güstrow 1753, 40 I S. 59) um 1753 auch aus dem Lande der Obotriten zu berichten.
Aber die Nessel ist auch in Westfalen in der „Negenstärke“ vertreten, ein aus neunerlei Kräutern zusammengesetztes Gemüse, das, zum Gründonnerstag genossen, neunmal die Kraft des Menschen für die nun beginnende Ackerarbeit erhöhen soll. Dagegen ist sie verschwunden aus einer anderen heiligen, Kraft gebenden Suppe, die aber auch jetzt in der Mitte des Jahres, zu Johannis, gegessen wird. Wohl wenige der Hamburger und noch wenigere der anderen Deutschen, die sich freilich immer mit geheimem Schauder von der Aalsuppe erzählen lassen, wissen noch,