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26. (9. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres.
gesund empfohlen wird, so ist es doch nicht immer angenehm, sich beim Abstreifen der kleinen und kleinsten Blättchen allzuviel Blasen zu holen. Wie weit nun das Abstreifen der Blätter geschieht, ob man nur die zartesten nimmt, ob man auch größere Blätter und die kleinen Stengel mitkocht, liegt im Belieben des Einzelnen. Manch Einer mag ja gern etwas Härteres und hält den Spinat für allzu weichlich; da wird denn das Gericht nachher um so größer, wenn mehr von den Stengeln und härteren Blättern in den Kochtopf wandert. Nach dem Abkochen und Zerwiegen wird die Zubereitung ganz wie beim Spinat vorgenommen. Auch sogenannte Krautküchlein, wie man sie in Süddeutschland backt, sind davon herzustellen. Ebenfalls auch aus Süddeutschland berichtet ein altes Kochbüchlein und Kalender aus Tegernsee (Anton Birlinger, Germania, 1864, Bd. IX S. 201) davon, daß man von der Nessel Salat machte, und ebenso weiß Marx Rumpoldt in seinem New Kochbuch für Kaiser und Könige, Fürsten, Edlen und Herrn um 1581 (S. 158b) von einer solchen Verwendung zu erzählen, während Ilyronimus Bock in seinem Kräuterbuch aus derselben Zeit (Straßburg 1860) nur mehr von der heilenden Wirkung der Nessel, innerlich und äußerlich, eine Eigenschaft, von der uns Lady Wilde (Ancient legends .... II S. 98, Lond. 1887) auch aus Irland berichtet.
In Schweden fügt man das feingewiegte Grün der Nessel der Festtagsbrühe zu, die so für den Gi’ündonnerstag eine besondere Farbe, aber auch einen guten Geschmack erhält.
Jedenfalls aber kann ich all den Mutigen, die den alten Gebrauch aufnehmen wollen, Nesselgemüse als ein durchaus eßbares Gericht empfehlen, und eine Fülle von Heimatkunde und alten Geschichten, Sagen und Sitten kommen in diesem verachteten Stiefkind unserer Gärten mit auf den Tisch. —
Der Vorsitzende bemerkt dazu, wir haben bei Berlin zwei Nesselarten: die eigentliche Brennessel, Urtica urens L., eine Schutt- und Wegepflanze und die Heidenessel, Urtica dioica L., die mehr im Walde und im Gebüsch wächst, z. B. im Grunewald unter den eingesprengten alten isoliert stehenden Eichen. Die erstere heißt auch die kleine Brennessel und die zweite, mitunter mannshohe Gebüsche bildend, die große Brennessel, welche auch zum Peitschen gelähmter Glieder gebraucht wird. Die Stengelfasern kann man auch zu Nesselgarn und Nesseltnch verarbeiten. Junge Gänse und Puten werden mit dem zerhackten Grün dieser Ai’t gefüttert und auch einzelne Menschen genießen sie, wie geschildert, gekocht. Immerhin ist zum Gründonnei’stag der Grünkohl das bei uns übliche Gemüse, was auch Herr Rektor Monke bestätigt, dem für das Havelland das Nesselessen unbekannt ist. Wenn neben dem Grünkohl oder statt desselben bei uns nicht selten der Spinat am Gründonnerstag gekocht wird, so geschieht das hauptsächlich, weil