Heft 
(1912) 20
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20. (9. ordentliche) Versammlung des XIX. Vereinsjahres

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feinsinnig und tiefgründig ausgeführt. Wie des deutschen Schauspiels ist G. auch der Erneuerer des deutschen Romans geworden. Warum ist ihm dennoch die unbedingte Anerkennung seiner Mitwelt und niemals die Liebe seines Volks zu teil geworden? Weil er im Goetheschen Sinne eine problematische Natur war, was K. Fr. eingehend begründet.

Der Berliner Magistrat versuchte schon vor Jahren eine äußerliche Ehrung Karl Gutzkows. Auf meine Anregung wurde für ihn im Jahre 1881 an dem K. Marstallgebäude in der Universitätsstraße 6 seitens der Stadt Berlin eine bronzene Erinnerungstafel angebracht. Der Ober­stallmeister Wirkl. Geh. Rat Graf v. Pückler hat damals sich mit der Anbringung der Tafel in entgegenkommendster Weise einverstanden er­klärt. Auf dem Terrain des Marstallgebäudes ist jetzt der Neubau der Königlichen Bibliothek entstanden. Beim Abriß des Marstallgebäudes mußte auch die Gedenktafel für Gutzkow entfernt werden. Am 3. Sep­tember 1903 wurde von einem Schutzmann im Rathaus angezeigt, daß die Tafel dem Bureau des 2. Polizeireviers Oberwallstraße 20a übergeben sei, und ersucht, die Tafel abzuholen. Die Tafel ist darauf abgeholt und im Märkischen Museum aufbewahrt worden. Die Bauleitung des Bibliothek­gebäudes ist dann unter dem 12. September 1903 vom Magistrat gebeten worden, die Tafel an dem Neubau und tunlichst an der alten Stelle wieder anzubringen. Eine Antwort ist fünf Jahre lang nicht erfolgt, und seitens der Stadt ist die Bitte am 2. Dezember 1908 erneut worden. Unter dem 22. Dezember ist geantwortet worden, daß die Fassade des Monumental­baues durch eine derartige Tafel verunziert würde, und daß die Bau­leitung der Ansicht sei, daß eine zwingende Veranlassung, die Tafel an der Stelle, wo Gutzkow gewohnt hat, zu belassen, nicht bestehe. Weitere wiederholte Vermittlungsversuche eines Magistratsmitglieds haben keinerlei Erfolg gehabt. Das ist die Sachlage der Zeit des hundertjährigen Ge­burtstages Gutzkows. Es ist nicht zu bezweifeln, daß der Magistrat nunmehr der Gedenktafel für Gutzkow einen andern Platz anweisen wird. Nötigenfalls könnte sie, gleich der ebenfalls (wegen Verschwindens des Gebäudes) deplazierten Gedächtnistafel des Philosophen Fichte im Märkischen Museum untergebracht werden.

Das letztere hat übrigens für den heutigen Abend drei litho­graphische Porträts Karl Gutzkows aus 3 verschiedenen Lebensaltern ausgestellt.

Der Vortragende Dr. Runze hatte alte seltene Drucke des Gefeierten ausgestellt. Außerdem wurde hingewiesen auf die soeben erschienenen Gutzkow Werke, Auswahl in zwölf Teilen. Herausgegeben, mit Lebens­bild, Einleitungen und Anmerkungen, von Reinhold Gensei, 12 Teile in 4 Bänden. Berlin, 1911, Deutsches Verlagshaus Bong & Co.

Insbesondere legte der Vorsitzende vor, und empfahl die neueste Arbeit des heute Vortragenden:Karl Gutzkow ein deutscher Geistesheld.