Kleine Mitteilungen.
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stand, um sie nach ihrem Verlangen zu fragen, erwiderte sie, daß sie dem König eine überaus wichtige Mitteilung zu machen habe. Von Köckeritz, der sich erbietet, ihr Anliegen dem König vorzutragen, um ihre Wünsche befragt, besteht sie darauf, den Monarchen persönlich zu sprechen. Was sie mitzutcilen habe, sei in drei Worten gesagt. Man deutet auf den Kronprinzen und sagt, er sei der König, worauf sie erwidert, sie wisse sehr gut, daß dies nicht wahr sei. Während darüber noch hin- und hergeredet'wird, greift der Kronprinz in der von ihm beliebten scherzenden Art in das Gespräch ein, erhält aber schroffe Vorwürfe von ihr, daß er sie unschicklich behandele. Gleich darauf ruft sie: „Nun kommt der König“, und richtig tritt auch einige Augenblicke später Friedrich Wilhelm, dessen Nahen niemand gehört, in den Saal. Als man ihm meldet, daß die fremde Frau behaupte, ihm mit wenigen Worten eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit, aber auch nur ihm allein sagen zu wollen, wird der König ärgerlich. „Sie solle gehen, dummes Zeug wolle er nicht hören. Sei es etwas Vernünftiges, so solle sie es frei sagen, sei es eine Bettelei, so werde sie Geld erhalten.“ Die Frau besteht nochmals darauf, nur ihm eine Sache von höchster Wichtigkeit mltteilen zu wollen, Geld brauche sie nicht. Fortgewiesen, bricht sie in die Worte aus: „Nun! ichj werde gehen, weil der König mich nicht
hören will. Aber er wird cs bereuen; denn sehr nahes großes Unglück bedroht ihn, und durch meine Warnung hätte es abgewendet werden können.“ Ais sie beim Passieren des Vorzimmers sich noch immer unwillig über die Abweisung und das schnöde Anbieten von Geld äußert und die Lakaien ihr Vorwürfe darüber machen, daß sie es nicht genommen habe, greift sie in die Rocktasche und wirft den Lakaien Geld hin. Ebenso schnell und geheimnisvoll, wie sie gekommen, verschwindet sie dann auf Nimmermehrstag.
Dem Vorgang mag als Tatsächliches der Umstand zu Grunde liegen, daß sich eine Bittstellerin in Trauer eingefunden hatte. Nach dem die Umgebung der Königin, auch die Dienerschaft und deren Angehörige oder Bekannte aufregenden und erschütternden unvermuteten Tode der geliebten Herrscherin sind gewiß alsbald allerhand abenteuerliche Geschichten durch die mythenbildende Kraft des Volksgeistes erfunden und in Umlauf gebracht, Befremdend ist die schwarze Kleidung der Frau, da doch die alte Hof- und Haustrauer weiß ist und insbesondere das unheilverkündende Hausgespenst der Hohenzollern allemal sonst und bis in die Gegenwart als die weiße Frau erscheint.
Das Totenlaken vertrat früher im Havellande das schwarze Bahrtuch ( auf das jetzt der Sarg gestellt wird. Jede Familie besaß ehedem ein solches Laken von weißer Farbe, das erheblich größer war als ein gewöhnliches Bettuch. Die städtische Mode hat auch hier den ländlichen Brauch verdrängt und die schwarze Trauerfarbe an die Stelle der weißen gesetzt, die früher wohl allgemein verbreitet war. Vermutlich erklärt sich so auch die Entstehung der Wörter Wittfrau (gleich weiße Frau), Witwe und Witwer. Darum erschien auch die „Weiße Frau“ im Königlichen Schlosse zu Berlin